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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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nicht in tiefster Proskynese irgendwo am Boden. Ganz stramm auf ihren — wie er überzeugt war — geraden Beinen stand sie vor ihm.
    „Majestät“, sagte sie, und der Ton war eine Kriegserklärung. „Majestät geruhten, sich mit mir einen Scherz zu erlauben, der nicht ganz so ..."
    „Aber Hanum ..
    Ihn zu Worte kommen lassen? Alles andere lieber als das! Sie ging über ihn hinweg.
    „Ganz recht, einen Scherz, der nicht ganz so fein war, wie Majestät es sich offenbar einbildeten „Aber bitte, so hören Sie doch ..."
    „Kein Grund, sich zu grämen. Als osmanischer Prinz wird man geboren. Zum Tschelebi machen einen Mann Erziehung und Begabung.“
    „Eva Hanum ..."
    „Hanum sollte doch bedenken ..mischte sich nun auch Ibrahim noch ein. „So kann man doch nicht mit einem Kaiser reden.“
    „Ich kann nidit? Ich kann! Iich kann mich darüber wundern, was man einer Hanum des Serails zumutet. Aber glücklicherweise bin ich keine. Ich war dort als Gast. Als Gast, Majestät. Falls sie wissen sollten, was für Verpflichtungen das ergibt. Oder haben Sie etwa die Absicht, midi ersäufen zu lassen?“
    „Das ist nicht die Art“, sagte Mahmud ehrlich empört, „wie man bei uns einer Dame begegnet. Bitte, Ibrahim Efendi, helfen Sie mir doch! Sagen Sie ihr, daß ich sie um Entschuldigung bitte.“
    „Nicht nötig. Mir genügt es, wenn Majestät mir den Weg freigeben.“
    „Aber doch nicht so . . . wenn Sie wenigstens warten wollten, bis eine Kutsche beschafft ist.“
    „Eine Kutsche? Warum? Ich reite. Auf einer Eselin reite ich. Sie ist ein ehrliches Geschöpf und gibt sich nicht für etwas aus, was sie nicht ist. Sie ist wirklich eine ganz gewöhnliche Markteselin und heißt Miriam.“
    „Efendi. . . Ibrahim . . .“
    Ibrahim konnte diesen Hilferuf seines Padischahs nicht überhören. Unwiderruflich war der Augenblick seines Heldentums wider Willen gekommen. Er sprang vor die Tür.
    „Ich flehe Hanum an“, rief er, „bedenken Hanum . . .“
    Jetzt erst besah Julienne sich ihn näher und damit wurde sie bedrohlich.
    „Ach Sie.. sagte sie und dehnte die Silben, „Sie waren ja auch dabei, Sie haben ja auch geholfen und Sie, Sie, Sie wenigstens sind kein Kaiser!“
    Und damit hatte er - schwippschwapp - zwei Backpfeifen weg.
    Er taumelte zur Seite. Sie war draußen . ..
    Als Mahmud zum Überlegen kam, war er gar nicht mehr empört - er war verzweifelt.
    „Wie soll ich sie nur wiederfinden?“ stöhnte er. „Wissen Sie nidits, Ibrahim?“
    „Frauenraub?“ fragte der Drucker nur, und eine Pause kam auf, die das Unmögliche des kaiserlichen Begehrens unterstrich.
    Noch immer standen die Männer unter dem Eindruck der entlaufenen Frau. Eine ganze Weile herrschte Schweigen. Ganz versonnen rieb Ibrahim seine Backe. Mahmud sah es.
    „Daß Sie sich nicht unterstehen“, fuhr er ihn an, „sich etwa beleidigt zu fühlen. Die Backpfeifen galten mir. Alle beide!“
    Ibrahim nickte.
    „Wenn man so bedenkt“, fuhr er immer noch nachdenklich fort, „wie viele wunderschöne Damen Majestät im Serail der Glückseligkeit
    „Habe ich“, gab Mahmud zu, „aber keine einzige, die mal so wirklich zuhaut.“
    „Ja!“ begeisterte sich nun auch Ibrahim Efendi, „Majestät haben ganz recht. Sie muß eine schrecklich vornehme Dame sein.“

18
    Er bemerkte gar nicht, wie eine gepflegte weibliche Hand während des Gesprächs die Karten niederlegte, geschah es doch gar nicht selten, daß die Unterhaltung das Interesse am Spiel verdrängte. Heute, bei einer Zweier-Partie, die naturgemäß geringeren Anreiz bot und andererseits die Unterhaltung begünstigte, war es ohnehin zu erwarten gewesen.
    „Es wundert mich, liebe Freundin“, sagte der Prinz, indem er seine großen, dem Himmel zugewandten Nasenlöcher mit westindischem Tabak zustopfte, „warum Sie sich nicht überzeugen lassen, daß unsere Lage und damit meine eigene nicht so rosig ist, wie alle Welt annimmt.“
    Er sagte das keineswegs ungehalten, sondern in einer Art, die der Gräfin verriet, wie erwünscht dem Prinzen das ungestörte Alleinsein mit ihr sei.
    Karl VI. von Habsburg und römischer Kaiser nannte sich nur zu gern noch König von Spanien, obwohl er das Königreich selbst dem Bourbonen Philipp hatte überlassen müssen. Im spanischen Erbfolgekrieg war das geschehen, in dem der alte Prinz dem jungen Kaiser als ein Teil des Habsburger Erbes immerhin die italienischen Besitzungen Spaniens mit dem Königreich Neapel und der Lombardei sowie die spanischen

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