Der Eunuch
Niederlande ersiegt hatte.
Es war bezeichnend für den Prinzen Eugen von Savoyen, daß ihm nach seiner Flucht aus Frankreich und bei seiner Ankunft in Deutschland ein Mann, aber drei Frauen Hilfe angeboten hatten. Der Mann war sein Vetter gewesen, der regierende Herzog von Savoyen, und die drei Frauen seine Mutter, seine Großmutter und seine Tante. Dabei war er der Häßlichste der Häßlichen, und in diesem Punkt kannte seine schöne Mutter sonst kein Erbarmen. Er aber glaubte an den erdgebundenen Verstand der Frau, an ihre Begabung für das einzelne. Darum war es ihm ein Bedürfnis, sein jeweiliges Tatsachenbild und die Pläne, die er daraus gewann, gelegentlich von einer gescheiten Frau überprüfen zu lassen, ein Umstand, dem die Gräfin Eleonore Batthany die Machtstellung verdankte, die sie als Vertraute des Prinzen in
einem höheren Grade besaß, als wenn sie des Kaisers Geliebte gewesen wäre.
Ausnahmsweise befanden sich Freundin und Freund im prinzlichen Palais in der Himmelpfortgasse. Eugen litt wieder einmal an einer fiebrigen Erkältung.
„ Iich bin nur eine Frau“, entgegnete die Gräfin seinem leichten Vorwurf, „und ich erinnere midi nicht, daß Sie den ernsthaften Versuch gemacht haben, midi zu bekehren. Mit Kaiser Josephs Tod war der spanische Königstraum doch ausgeträumt? Die Mächte hätten die Vereinigung der Kaiserkrone mit der spanischen, wie ich immer hörte, nie zugegeben? Damit muß man sich ein für allemal abfinden. Schon die spanischen Kolonien ...“
„Sie haben vollkommen recht, meine Liebe, und um sich damit nicht abzufinden, muß man schon Karl sein“, bemerkte der alte Herr, und das war keine Lobpreisung. „ Iich dagegen denke nur daran, wie das Eroberte zu halten sei.“
„Verteidigen wird es der Eroberer“, sagte sie.
„Aber Lori! “ war seine ganze Erwiderung, und wenn er ,Lori‘ zu ihr sagte, war die Batthany gewarnt. „Könnten Sie sich nicht einmal“, kam es auch schon, „nach einer anderen Nebenbeschäftigung für midi umsehen? Vielleicht denken Sie an unsere Ostindische Kompanie, die sich so gut anließ.“
„Gott sei Dank, daß ich kein Geld gegeben habe!“ rief die Gräfin. „Nur ein Trottel konnte so was tun.“
„Ich habe mich mit sechzigtausend Gulden beteiligt“, bemerkte der Prinz trocken. „Aber Holland und England begannen unsere friedlichen paar Kauffahrer zu beschießen. England und Holland haben Schiffe, und deswegen haben wir unsere schöne Kompanie aufgelöst, und deswegen können wir im Kriegsfall Neapel und Sizilien nicht halten. Es ist viel leichter, an jedem beliebigen Punkt Truppen zu landen, als sie von Böhmen oder Steiermark nach Sizilien marschieren zu lassen.“
Die Batthany sprach nicht von Verträgen. Friedensverträge seien Atempausen vor neuen Kriegen, war ihre Überzeugung. Wohin solle man ohne Kriege auch mit den Prinzen und den Söhnen des Hoch-adels - so viele Bistümer und Großpfründen gebe es nicht, um bei der Kirche alle die unterzubringen, deren gottgewollte Bestimmung es sei, alle irdische Macht und Herrlichkeit dem niederen Volke, dem sie ein für allemal versagt seien, wenigstens vorzuleben. Das Fehlende müsse also das Militär besorgen, bei dem das Einkommen eines Obristen und Regimentsinhabers dem eines Marquisats gleichkomme, von der Generalität gar nicht erst zu reden. Sie sah sich in dem intimen Raum der kostbarsten Edelhölzer um; aber so, wie dies Teezimmer, kannte sie das ganze Haus Seiner Hoheit, das der berühmte Fischer von Erlach und Johann Lukas Hildebrand erbaut hatten, dieses Haus mit seinen prachtvollen Stiegen, den Prunksälen, den Wohnräumen, dem Treppen-, Wand- und Deckenschmuck aus den Händen großer Meister. Das alles habe der Krieg dem Hausherrn eingebracht, der als bespöttelter Bettelprinz nach Deutschland gekommen sei.
Mit einem verschmitzten Lächeln, das seinen Totenkopf nicht verschönte, sah er zu der stattlichen Dame auf. Ebenso wie viele kleine Männer, liebte auch er große, vollbusige Frauen.
„Es ist nichts mit dem Westen“, unterbrach sie das Schweigen.
„Bitte ...“, sagte er nur.
„Als Sie zu uns kamen, Prinz, schien Deutschland nur die Wahl zu haben, türkisch oder französisch zu werden. Wie sieht es heute aus?“
„Nun ja“, gab der Prinz zu, „Ungarn, Siebenbürgen und noch andere Neuerwerbungen, darunter auch Belgrad . . .“
„Belgrad ist nicht nur eine Stadt, sondern ein Land.“
„Also das haben Sie auch schon herausgekriegt?“ meinte er
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