Der Eunuch
mit einem reichlich ironischen Lächeln.
„Es wäre besser, Sie hätten sich das vor dreizehn Jahren beim Friedensschluß von Passarowitz gesagt“, begegnete sie ihm mit Strenge, „dann brauchten Sie sich über Neapel und Sizilien nicht den Kopf zu zerbrechen. Dann hätten wir mit dem Balkan den mehrfachen Ersatz.“
„Würden Sie mir vielleicht einmal ganz ehrlich sagen, liebste Freundin, was Sie vor dreizehn Jahren von all’ diesem glaubten?“
Sie überlegte und erschrak; aber sie war klug genug, nicht zu lügen. „Ich ... ich . . . Damals glaubte ich an einen Türkenkrieg wie alle andern.“
„Mir ging es nicht viel besser. Aber ich bin immerhin froh, daß ich jetzt weiß, wie dumm ich damals war. Seine Dummheiten erkennen, ist halber Sieg.“
„Halber Sieg... halber Sieg...?“ flüsterte sie, womit sie gleichzeitig einer unbequemen Selbsterkenntnis aus dem Wege ging. „So haben Sie also die Absicht. . .? - Bleiben Sie sitzen!“ rief sie, als er sich erheben wollte.
„Aber ich möchte Ihnen doch etwas zeigen.“
Das war natürlich etwas anderes. Doch damit wenigstens etwas geschähe, beklagte sie sich, daß er wieder einmal von oben bis unten mit Tabak bedreckt sei. Sie müsse sich ja schämen, sagte sie, und sie sitze oft wie auf Kohlen. Immer wieder müsse sie ihn wie einen Standleuchter abstauben. - Er ließ das Unvermeidliche geschehen, und dann ging er mit ihr in die Bibliothek.
Sie war sehenswert. In roten Saffian waren die Werke der Geschichte, in blau die der Theologie und in gelb die der schönen Literatur gebunden - alle mit Goldschnitt und mit eingeprägtem Wappen des Prinzen auf Vorder- und Rückseite. Doch das war der Gräfin nichts Neues. Dagegen überraschte sie die Menge an geographischen Skizzen, die den Boden bedeckten - Landkarten vom Balkan, wie sie bei näherem Hinsehen erkannte.
„Sie wollen also Ihren Fehler wirklich korrigieren?“ fragte sie.
Sie habe es gesehen, meinte er, nur stehe der Zeitpunkt des Angriffs noch nicht fest. - Er unterbrach sich. Was sie eigentlich wolle, fragte er, da er so was wie eine Enttäuschung an ihr zu bemerken glaubte. So schnell gehe das alles nicht. Erst müsse noch jede Quadratmeile Balkan, die man nicht genau kenne, sorgsam aufgenommen werden, und dann verbiete der Gesundheitszustand des starken Augustus zur Zeit überhaupt diesen Krieg.
„Des Kurfürsten von Sachsen?“ fragte sie.
„Audi König von Polen“, ging er auf den Kern des Problems ein. „Polen ist ein Wahlreich, und wenn August II. sterben sollte, wird
der sächsische Kurprinz, sein Sohn, sich zur Wahl stellen müssen. Ehrlich gewählt aber würde er nie, nicht er, nicht der Infant von Portugal, keiner von den Piasten oder aus dem polnischen Hochadel — mit nicht zu bezweifelnder Majorität wird der frühere König Stanislaus Leszinsky König werden. Wie gesagt: falls die Ehrlichkeit siegen sollte. Hatten Sie Leszinsky vergessen, Gräfin?
„Ich hörte mehr von andern Kandidaten als gerade von Leszinsky“, widersprach sie.
Eugen lachte grimmig.
„Nun ja, unsere Herren Wiener Staatenlenker! Wichtigtuer! Das Problem heißt Leszinsky. Es ist schwierig genug. Überlegen Sie, liebe Freundin: Er wurde von Schweden auf den Thron gesetzt - stimmt. Also er war schon einmal König des Landes, und laut internationalem Vergleich führt er den Titel noch heute. Dazu ist er Schwiegervater des Königs von Frankreich und dennoch kein Ausländer, sondern Pole. Nicht zu unterschätzen ist es auch, daß er vom Sachsenkurfürst verdrängt wurde. Den Polen ist nichts so verhaßt wie die Sachsen. Am Geld fehlt es ihm ebenfalls nicht — ihm nicht und Frankreich nicht. Kein anderer Kandidat kann mit solchen Trümpfen aufwarten.“ „Dann freilich, und bei dem freien Wahlrecht der Polen . ..“
„Das aus Ihrem Munde, Gräfin?“ Er konnte nur den Kopf schütteln. „Aber alle Polen, die man hört, reden von nichts anderem.“
„Meine Liebe, man ist auf nichts so stolz, wie auf eine Freiheit, die man nicht besitzt. Reden wir vernünftig. Mit Preußen und Rußland sind wir verbündet, alle drei haben wir Armeen, und alle drei grenzen wir an Polen. Das ergibt, meine Dame?“ genießerisch stopfte er von neuem eine Fuhre Tabak in seine Nase.
„Einmarsch in Polen!“ sagte die Batthany, ohne diesmal der Prise zu achten.
„Das wohl“, gab Eugen zu. „Aber es ergibt auch, daß die polnische Frage in Italien und am Rhein entschieden wird.“ Er schloß seine Tabatiere mit einem
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