Der Eunuch
Antwort. Zu Mahmuds Glück lief sie nur in einen Tadel
für Ibrahim aus.
„Daß die Walide Sie empfangen hat, war schon eine Ehre, deren Sie sich bis an Ihr Lebensende erinnern werden“, sagte sie. „Sollte sich das Ereignis wirklich wiederholt haben, so würde das an ein Wunder grenzen. Wenn Sie mir aber weismachen wollen, Sie gehen bei der Erhabenen aus und ein. dann stehe ich lieber auf. Ich mag Lügner nidit.“ „Die Hanum verstand mich falsch“, beschwor er sie.
„Hoffentlich. Jedenfalls weiß ich nicht, wie Sie mich dort hätten treffen können.“
Mahmuds Irrtum war begreiflich. Seine Mutter und ihre Damen hatten in seiner Gegenwart nie über Julienne gesprochen, und wäre es geschehen, so hätte es ihm auch nicht geholfen. Er kannte ja nicht einmal ihren Namen. Wie hätte er wissen sollen, daß sie sich gar nicht mehr im Alten Serail befand?
„Sie brauchten mir nur eine Gelegenheit zu geben, Sie zu treffen“, knüpfte er an ihre letzte Bemerkung an. „Für mich könnte ich gutsagen.“
Julienne dachte nicht daran, es zu tun. Ihr war es lieber, allein zu bestimmen, ob überhaupt und wenn - wann und wo ein neues Treffen erfolgen könnte. Denn obwohl sie die Wirkung ihrer Reize stark unterschätzte, hielt sie es auch nach und nach doch für möglich, daß er ihr aus Laune oder einem andern Grund vielleicht nachspüren würde -ein Gedanke, der ihre Sorglosigkeit nicht erschütterte, sondern sie nur reizte, ihn durch das selbstherrliche Wechseln des Themas herauszufordern.
„Glauben Sie, sich in Ihrer Druckerei behaupten zu können?“
Für das Degenklirren eines heiteren Wortgeplänkels entsprach diese Frage zu sehr recht unerwünschten Tatsachen, um noch heiter zu wirken. Mahmud empfand daher als überheblichen Überfall, was im Grunde doch nur echte Teilnahme war.
„Warum fragen Sie mich das gerade jetzt?“ meinte, unter dem Namen Ibrahims gekränkt, der Sultan.
„Weil ich gerade jetzt hier bin und nicht weiß, ob ich dazu noch einmal Gelegenheit haben werde“, gab Julienne zurück.
Immer noch blieb ein Anflug von Unmut auf Mahmuds Zügen. Aus der Geste, mit der er von neuem begann, war zu ersehen, daß er versuchen wolle, dieses Mädchens Oberfläche zu durchdringen, und daß es ihm unlieb wäre, nichts darunter zu finden.
„Ich fragte Sie, Hanum“, begann er mit aller Vorsicht, „und wenn es Ihnen beliebt hätte, mir zu antworten, wäre etwas mehr Klarheit zwischen uns. Sie sehen, Dame, meine Frage war keineswegs müßig.“ „Auch meine war es nicht“, begütigte sie ihn. „Glauben Sie es bitte, mein Freund. Iich dachte darüber nach, wie man Ihnen helfen könnte.“ „Oh“, rief Mahmud. „Helfen möchten Sie mir? Aber wenn Sie an Hilfe denken, müssen Sie mir doch geneigt sein?“
Er bedrängte sie mit seinen Augen, und Julienne war ein wenig gerührt darüber, wie schnell eine einzige Bemerkung von ihr ihn verwandelt habe. Er sah sie lächeln.
„Ich bin der Druckerei geneigt, aber“ - sie mochte keinen neuen Schatten heraufbeschwören - „wenn ich es der Druckerei bin, muß ich es wohl ein wenig auch dem Drucker sein.“ Sie ließ es geschehen, daß er ihre Hände ergriff und stürmisch küßte. Sie lachte nur immer noch.
Einen Augenblick dachte Mahmud dabei an seine Vergangenheit, an seine Pagen, an seine Eunuchen, auch an die schönen Mädchen seiner Mutter dachte er und . . . fand sie insgesamt äußerst langweilig. Bei denen gab es keine Geheimnisse. Wenn er es wollte, besaß er sie. Freilich glaube dieses Mädchen mit Ibrahim zu reden, erinnerte er sich, und es komme darauf an, was sie tun würde, wenn er sich ihr offenbarte. Es reizte ihn, das zu wissen. Würde sie nicht auch aufspringen und in tiefster Verneigung ersterben? Doch nein, lieber nidit! Dann wäre alles vorbei, und er sei des ewig Vorhergesehenen so satt! Hier gebe es Zweifel, Kümmernisse und aufwallende Freude
- bei diesem Mädchen gebe es das. Möge dann kommen, was kommen müsse. Später. Nicht jetzt. Dann würde er das Leben einmal als Drucker Ibrahim genossen und nicht immer nur als Padischah vor verschlossenen oder, was ziemlich dasselbe sei, vor zu bereitwillig geöffneten Türen gestanden haben. Hilfe für Ibrahim? Darüber könne er reden. Er wußte etwas über den Stand des Unternehmens. „Es ist der Wunsch, mir zu helfen, wofür ich Ihnen danke“, sagte er. „Aber eine so große Dame Sie sein mögen, und ich zweifle nicht, daß Sie es sind - so leicht ist das dennoch nidit.
Weitere Kostenlose Bücher