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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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der Wesir, „daß Exzellenz und ich mit unsern Anschauungen gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Auch ich wäre bereit, Seiner Erhabenheit zu raten, durch das Geschenk - wie Sie es nannten, Exzellenz - einiger Landstriche den Frieden mit Persien wiederherzustellen. Aber wir dürfen doch nicht vergessen, daß wir an dem . .."
    „Hoheit wollen doch nicht ,Raub‘ sagen?“ erkundigte sich Beschir.
    „ . . . daß wir nicht allein an dem Nießnutz der persischen Wirren beteiligt waren“, vollendete Ibrahim mit Würde. „Wenn nun aber dem Zaren einfallen sollte, sich dessen zu bemächtigen, was unsererseits infolge großer Güte unseres Padischahs zurückgestellt werden sollte -was dann?“
    „Ein Grund mehr, unser Heer auf dem Felde der Ereignisse zu haben“, war Beschirs Antwort, „und nicht fernab allem Geschehen.“ „Was ihr auch sagt, und wie ihr es sagt - immer höre ich Krieg“, warf sich der Sultan in den Kampf der Worte. „Aber jetzt seid ihr so weit gegangen, daß ich stets daran denken müßte. Lieber will ich alles hören.“
    Obwohl Ibrahim das Recht und die Pflicht des Vortrags hatte, war dies der Augenblick, da er sich zurückzog. Mit einer Verneigung erteilte er Beschir das Wort.
    „Sie hörten den Befehl Seiner Majestät“, sagte er, und Beschir war nicht der Mensch, die Schlacht vor der Entscheidung abzubrechen. Seine Rede war mit Wirklichkeiten erfüllt, die so schwer abzuschütteln waren, daß man ihn ohne die bosporonische Toleranz schon allein um dieser Wahrheiten willen hätte ersäufen müssen.
    „Mein Padischah“, begann er, „demütigst flehte ich, Euer Erhabenheit möge geruhen, die Dinge dieser Welt nicht nur von der Hohen Pforte des Islams aus betrachten zu wollen, sondern so, wie es Allah gefallen hat, sie sein zu lassen. Es war Allahs Wille, daß sich das Schwert des Islams in der Hand Euer Majestät erlauchter Ahnen unter den Völkern von Byzanz eine Gasse mähte und uns ihre Wohnsitze zum Erbe gab. Aber um das, was wir bekamen, zu behalten, mußten wir immer mehr Länder gewinnen. Es gelang auch bei allen Völkern des Balkan, aber an diesen Deutschen scheiterten wir. Wir schlugen sie in vielen Schlachten, doch das verdankten wir nicht nur unserer Stärke, sondern ebenso ihrer Uneinigkeit. Doch sobald wir ihre Hauptstadt Wien angriffen, liefen sie zusammen und verteidigten sie. Dann hatten wir nicht nur einen Krieg mit Österreich, mit dem König von Wien, den sie deutschen Kaiser nennen, dann hatten wir einen Reichskrieg aller Deutschen gegen uns. Und so haben wir heute weder Regensburg, Frankfurt, München, Köln, Bremen - wir haben nicht einmal Wien. Heute sitzt kein Pascha mehr einige Wegstunden von Wien in Neuhäusel, keiner in Ofen und nicht einmal mehr einer in Belgrad.“
    Fast schien es, als könne der Kislar vor innerer Bewegung nicht weiterreden.
    „Es hilft uns doch nicht, mein Padischah“, rief er dann, „von dem, was ist, nicht zu sprechen! Es hilft uns schon gar nicht, Euer Erhabenheit beinahe schon als Titel den Namen eines ,Unterdrückers der Neuerungen“ zu geben! In der Vergangenheit, die gewiß nicht weniger fromm war, ging die Rede, daß ein türkischer Piade jede zu irgendeinem Zweck gebrauchte Maschine zuverlässig erfinden würde. In jenen Zeiten der Siege war man keineswegs gegen Neuerungen.
    Damals hatten wir eine türkische Schlachtordnung, die als unbesieglich galt. Leider haben wir sie heute noch, aber den Sieg verbürgt sie schon längst nicht mehr. Die Methoden des Abendlandes haben sie überflügelt. Sind diese Völker uns aber wirklich überlegen, Völker, bei denen selbst die Vornehmen sich nicht waschen, geschweige denn baden? Deren Atem uns bedrängt, wenn sie mit uns reden, deren üble Ausdünstungen unsere Stuben verpesten, wenn wir sie empfangen. Nach glücklichen Grenzplänkeleien waren unsere Basare oft so voll von Knaben und Mädchen aus Krain, der Steiermark und vom Semmering, daß man sie das Stück für ein Paar Stiefel kaufen konnte. Aber immer mußte man sie erst in den Bottich tun, ehe man sie der Gesellschaft Rechtgläubiger zumuten konnte.“
    „Diese Ungläubigen sind dreckige Schweine - Allah verdamme sie insgesamt“, betete Seine Heiligkeit, da ihm ein frommer Spruch erforderlich schien.
    „Sind diese Völker, die sich so überheblich gebärden, nun glücklicher als wir?“ fuhr Beschir fort. „Wir sind alle Sklaven des Padischahs und erfreuen uns seiner väterlichen Fürsorge. Bei den Abendländern hat,

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