Der Eunuch
nennen, an der Sie vorgestern in geheimer Audienz empfangen wurden? Sie haben mit niemand darüber gesprochen, auch nicht mit Ihrem Sohn; ich aber kann Ihnen die Tür, durch die Sie eingetreten sind, die Treppe, die Sie hinaufstiegen, und die Korridore beschreiben, die Sie entlanggegangen sind. Doch glaube ich, daß Türen und Stiegen nicht so wichtig sind wie das, was Sie dem Großwesir vorschlugen. Es war das Bündnis mit Frankreich.“
Bonneval sprang auf. Zu verhehlen gab es nidits mehr.
„Es ist die einzige vernünftige Politik!“ rief er.
„Das wird nicht bestritten. Und Sie machten in zwei Schreiben an den Marquis von Villeneuve bereits den gleichen Vorschlag, ohne daß Sie allerdings vom Herrn Botschafter Frankreichs einer Antwort gewürdigt wurden.“
Das war für Bonneval zuviel!
„Ein Parvenü, dieser Mann“, wütete er, „seine Familie . ..“
Julienne unterbrach ihn mit einem Lächeln.
„Wir sind in der Türkei, Graf.“ „Sie taten gut daran, Madame, mich mit Gewalt hierherschleppen zu lassen“, grollte er. „Wenn ich gewußt hätte, daß ich das hier vernehmen sollte . . . nur um mich zu beleidigen!“
Ganz ruhig blieb Julienne.
„Es gehört zur Sache, Graf, und darum ist es keine Beleidigung. Villeneuve tat doch nur, was ihm der Kardinal Fleury in Paris befahl. Dafür wird der Arme noch einmal eine bittere Stunde bei Ihnen erleben müssen -- Sie, mein Lieber, sind nicht der Mann, sie ihm leichter zu machen - und dann wird er eine ganze Weile demütig hinter Ihnen herzutrotteln haben.“
„Eine Weile nur? Bis wann denn?“
„Bis zu Ihrem Erfolg, Graf. Nach dem Erfolg kommen die Leichenfledderer. In diesem Fall Villeneuve. Meinen Sie, daß die Erfolgsfledderer bei Ihnen eine Ausnahme machen werden?“
„Dann glauben Sie also an meinen Erfolg?“
„ Iich halte ihn für möglich und wünsche ihn. Vorausgesetzt, daß Sie die Niederlage Habsburgs darunter verstehen.“
„Was denn sonst?“
„Nun . .. Sie hätten in den beiden nichtbeantworteten Briefen eine viel frischere Ursache zu einem gesunden Haß gegen Frankreich.“ „ Iich bin Franzose.“
Julienne lachte laut.
„Und das sagt der Mann, der sein Vaterland mit so großer Wirkung bekämpft hat. Aber in die Schale Ihres Hasses fällt wohl als schwerstes Gewicht immer wieder Ihr früherer Freund Eugen.“
„Ich werde ihn in Ungarn bekämpfen.“
„Und Rakoczy? Der Fürst? Er ist ein Nationalheld der Ungarn und ist Souverän. Vergessen Sie das nicht.“
„Es wird auch für mich ein Stück Habsburg abfallen.“ „Einverstanden“, sagte sie. „Aber wir dürfen nur mit dem rechnen, was wir haben. Ungarn haben wir nicht.“
„Wir brauchen Frankreich!“ rief er.
„Scharmant, Graf, wie Sie das sagen: ,Wir‘. Aus Ihrem Munde ist das ein richtiges Wort. Wir und Frankreich. Natürlich können wir Frankreich gebrauchen. Aber wir brauchen es nicht.“
„Und wer soll siegen, Madame, ohne Ungarn, ohne Frankreich?“ „Wir!“ sagte Julienne und ging einige Schritte, bis sie vor dem Abenteurer stand. Sie sah ihn fest an. „Wir werden siegen. Mit Bonneval!“ schloß sie den Satz.
Es war ein Paukenschlag. Viel Erfolg hatte er schon gehabt, und seine eigene Meinung von sich blieb nicht hinter seinen Erfolgen zurück. Aber eine solche Ehre, wie jetzt von diesem Mädchen, war ihm noch nicht widerfahren. Er wurde rot.
„Verzeihung, Madame“ - fast zitterte er - „ich sprach mit Seiner Hoheit dem Großwesir ...“
„Sprechen Sie mit ihm so oft Sie können. Osman der Hinker ist ein trefflicher Mann. Er hat sich nicht minder als sein Vorgänger um die Unterdrückung des letzten Aufstandes verdient gemacht. Natürlich gibt es zwischen den Untertanen des Padischahs vielerlei Bindungen; am stärksten aber sind die landsmannschaftlichen. Die Albaner zumal
- und der Aufstand gegen Sultan Ahmed trug albanisches Gepräge... Osman Pascha hat die Meuterer in Bosnien und Albanien ausfindig gemacht. .."
„Es wird Geschrei gegeben haben?“
„Tote schreien nicht, mein Herr. Wie gesagt: sehr tüchtig ist Osman. Aber vergessen Sie nicht, daß er seit dem dreißigsten September 1730 bis jetzt, Ende 1731, bereits der dritte Großwesir ist. Sie, Graf Bonneval, möchten ins Amt kommen; aber wir möchten Sie gern etwas länger darin behalten.“
„Und wer bleibt länger?“
„Die, die kein Amt haben“, sagte Julienne.
Wider sein eigenes Erwarten verneigte sich Bonneval sehr tief vor einem Mädchen, das ihm an Jahren weit
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