Der Eunuch
lassen, Madame, wenn ich es auf keine andere Weise erreichen könnte, noch einmal ... so herrlich geduscht zu werden“, schloß er weit prosaischer, als er hatte hoffen lassen. „Eine Bitte hätte ich allerdings: könnte man nicht das nächstemal von dem Fausthieb auf mein armes Nasenbein Abstand nehmen?“
„Sie Ärmster!“ bedauerte sie ihn. „Aber sagen Sie selbst, Graf, wie hätte ich Sie sonst herbekommen sollen, wenn nicht mit ein bißchen Gewalt? Stimmt es?“
„Es stimmt.“
„Und sehen Sie: jetzt sind Sie hier, ohne zu wissen, wo Sie sich befinden, ohne zu wissen, wer ich bin, und ohne eine einzige Antwort auf die vielen Fragen, die Sie sonst gestellt hätten. Stimmt es?“
„Ich kann es nicht leugnen“, sagte er und versuchte sofort, mit allem, was sich ihm darbot, aus seiner Niederlage herauszukommen. „Ich befinde mich vollständig in Ihren Händen. Aber Madame dürfen nicht erwarten, daß ich diese Tatsache als einen Übelstand betrachte. Dennoch halte ich es für sehr grausam“, fuhr er drängender fort, „daß mir, nachdem ich alle Phasen des Fegefeuers erleiden mußte, dieser gewiß sehr schöne Fächer mir Ihren Anblick nodi immer verbirgt.“
Mit der Siegeszuversicht so mancher über Frauen gewonnener Schlachten beugte er sich über sie. Es lag zu nahe, daß er sich zu einem Spiel geladen glaubte, und es wäre nicht das erstemal gewesen, daß er es bestanden hätte. So sicher fühlte er sich, daß er gar nicht bemerkte, wie Julienne nur Zuschauerin blieb. Sie war keine Frau, sich an einen männlichen Körper zu verlieren. Geist, Witz, vor allem aber Gedankenschärfe übten einen geradezu sinnlichen Reiz auf sie aus, und Bonne-val hatte nichts von seiner alten Meisterschaft verloren Es war daher nicht so sehr der Gedanke an Mahmud, der sich etwa zwischen sie und Bonneval drängte, sondern eher der an Beschir.
So stand es um Julienne.
Bonneval dagegen hielt die Festung für sturmreif, wenn überhaupt etwas zu erstürmen gewesen sei. Er zweifelte nicht an dem Blick der Erwartung unter ihren niedergeschlagenen Lidern, während der Blick in Wahrheit nur seinen beginnenden Embonpoint taxierte. Nicht seine Schuld war es, wenn die bewährte weiche, kosende Bewegung sich dieses Mal nicht zum sieggekrönten Rund vollendete. Julienne warf den zusammengeklappten Fächer deckenwärts, und wenn sie dabei aufsprang und federnd entwich, war nicht sie das Opfer, sondern er. Er war der Gefahr jedes Spieles erlegen - sei es auch nur für Augenblicke, nämlich es für echt zu halten. Ihre Bewegung riß ihn mit, bis er sich wiederfand, wie er ihren Rubin zu erhaschen suchte. Lachend hob sie ihren linken Fuß an seine Lippen, und dabei sah er sie hinter ihrem Schleier lachen. Nichts als den Schleier hatte er statt ihres Fächers gewonnen.
Es war zu spät, seine Manneswürde stückweis zusammenzuklauben und sich gekränkt und feierlich zu erheben. Er stemmte vielmehr seine Hände hinten auf den Boden und schaute sie an, die, das linke Bein hoch hinaufgezogen und an sich gepreßt, auf ihn herabsah. „Reizend“, sagte er.
„Soll ich Ihnen das Kompliment zurückgeben?“ fragte sie.
Mit einem Ruck stand er. So viel schaffte er als guter Reiter immer noch.
„Ich bin Madames Gefangener vermutlich?“ fragte er in einem andern Ton.
„Beantworten Sie sich diese Frage selbst, Graf, falls Sie die Unhöflichkeit begehen wollten . . .“
„Danke!“ Er winkte ab. „ Iich denke an mein Nasenbein. Auch müßte ich fürchten, daß mir manches entgehen würde, was ich von Madame noch erfahren soll?“
„Es ist ein Vergnügen, mit Ihnen zu reden, Bonneval, und ich zweifle nicht, daß es noch viele Frauen in Konstantinopel gibt, die dessen teilhaft werden möchten. Darf ich Ihnen für solche Fälle einige Ratschläge geben? Sie können diese Teppichhandlung - wir befinden uns in einer solchen - ohne die geringsten Schwierigkeiten durch einen der vielen Ausgänge verlassen. Sie können auch wiederkommen. Sie können sogar nach mir fragen und werden dann eben erfahren, daß eine Dame wie ich nie hier war, wie jeder andere das gleiche zu hören bekäme. Wir armen Sklavinnen hinter Haremsgittern“ - sie lachte laut - „sind so frei, wie es unsere Schwestern im freien Abendland nicht sind. Es ist freilich ratsam, auf geputzte Kleider in der Öffentlichkeit zu verzichten. Welcher Mann darf es dann wagen, eine Frau, und nun gar eine in Schwarz und mit schwarzem Schleier, anzureden? Er würde nicht mit blauen
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