Der Eunuch
nachdem ersten Ausbruch der allgemeinen Verwunderung über die letzten Geschehnisse allmählich auch wieder Ordnung ins Gespräch. Es fand in dem größten der etwa dreißig Gebäude statt, die dem Hof des Fürsten Rakoczy in Rodosto zur Verfügung standen. Dieses größte wurde das ,Schloß‘ genannt und zeichnete sich mehr durch seine Gärten aus, die der Fürst selbst bearbeitete, als durch eine imposante Architektur oder sonst durch etwas, das vielleicht hätte imponieren können. Dem Fürsten genügte die Villa vollkommen. Gemessen an den Ansprüchen, die an ihn gestellt wurden, neigte er zur Askese. So hatte er, obwohl er die Jagd liebte, sie mitsamt den dazugehörigen Pferden aufgegeben, als ihm unter Ibrahims Großwesirschaft sein Thein, seine Pension, vorübergehend gekürzt worden war, und er hatte die Jagd auch nicht wieder erneuert, als der Defterdar ihm sein Gastgeld nach Mahmuds Thronbesteigung wieder in alter Höhe ausgezahlt hatte. Jetzt besaß er nur noch einen Hofjagdmeister ohne Jagd. Die Zahl derjenigen seiner Generäle und Mitkämpfer aus den großen ungarischen Geschlechtern, die anfangs noch als unabhängige Freunde seine Verbannung geteilt hatten, war im Lauf der Zeit zusammengeschmolzen, sei es durch Tod oder weil sie verzogen waren. Paris oder Warschau hatten mehr zu bieten.
Baron Zay war erst später eingetroffen und um so willkommener gewesen, weil er seine Frau mitgebracht hatte, der an diesem frauenarmen Hof ohne Fürstin gern der Platz der Ersten Dame überlassen worden war, von dem aus sie jetzt eine echte Frauentyrannis ausübte, gegen die niemand aufzubegehren wagte, Seine Hoheit schon gar nicht. Selbstverständlich gehörte sie zu dieser geschlossenen Gesellschaft, die sich in so vielem von einem allgemeinen Empfang unterschied. Außerdem war sie - soeben erst aus Konstantinopel zurückgekehrt - gerade heute unentbehrlich, noch dazu in Begleitung ihrer beiden Freundinnen. Man konnte also auf Einzelheiten und Stimmungsberichte hoffen, die man von anderer Seite kaum erwarten durfte. Daneben bedeutete es nicht viel, daß die Baronin auch ihren Mann mitgebracht hatte.
Der Baronin war es natürlich klar, daß sie nicht ständig in Rodosto versauern könne. Die Gasthäuser in Konstantinopel jedoch - soweit es sie gab - waren zu einem längeren Aufenthalt für Damen wenig geeignet. Ein Haus mieten, Kutsche und Dienerschaft unterhalten -dazu reichte nicht, was die Zays von ihrem Vermögen gerettet hatten. In ihrer Bedrängnis sandte die Vorsehung - so sah es die Baronin -eben die beiden Freundinnen.
Sie waren weder Türkinnen noch Fränkinnen, sondern Griechinnen und gehörten zu den vornehmen Patriziergeschlechtern vom Fanar, vom Leuchtturm. Diesen Stadtteil hatte der Eroberer deren Vorfahren überlassen, dort befand sich das Patriarcheion, dessen erzene Tür ehrfurchtsvoll zu küssen kein frommer griechischer Christ je unterlassen hatte, dort die Apostelkirche, der Sitz des hohen Kapitels von Konstantinopel, seit die Hagia Sophia Moschee geworden war. In den engen Gassen des kleinen Viertels in hohen schmalen Häusern saßen dort die Geschlechter aus den Verwandtschaften der früheren byzantinischen Kaiser und regierten immer noch das christliche Volk. Sie besetzten die hohen Stellen der Kirche, die nicht nur die geistliche, sondern auch die bürgerliche Rechtsprechung über ihre Gläubigen ausübte. Aus ihren Reihen kamen die Sprachknaben und der jeweilige Pfortendolmetsch, ein Mann von fürstlicher Stellung, aus ihnen wurden die Hospodare, die Fürsten, der Moldau sowohl wie der Waladiei ernannt. Was schierte die Pforte Titel und Würden, wenn es keine türkisdien waren? Mochten die Könige von Wien, die von den Ungläubigen Kaiser der Deutschen genannt wurden, aus Leuten des Fanars Grafen und Fürsten des heiligen Reiches machen - deswegen blieben die Gegraften und Gefürsteten doch Untertanen des Padischahs, und wenn sich Sünde ergab, kostete es sie ihren Kopf.
Der angeheiratete Onkel Elena Gikas, der einen der beiden Freundinnen, war zur Zeit Fürst der Moldau, während das Familienoberhaupt der andern, ein Maurocordato, in gleicher Eigenschaft die Walachei regierte. In Wien hätte man zu jeder der Damen ,Prinzessin' sagen müssen. Sie waren es so gut wie Rakoczy, der auf den Titel eines Fürsten des heiligen Reiches niemals verzichtet hatte. Bei der Theodora Maurocordato waren übrigens anfangs Schwierigkeiten aufgetaucht. Es hatte in ihren Kreisen Aufsehen und Beunruhigung
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