Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
erregt, als sie mit einem Schiff aus Marseille vom französischen Kanada her mit der Behauptung gekommen war, die Tochter eines seit fast einem Menschenalter verschollenen und jüngst verstorbenen Maurocordato zu sein. Aber ihre Papiere waren in Ordnung, so daß Fürst Konstantin als Familienoberhaupt, ferner das Patriarcheion und zuletzt die Pforte sie anerkannt hatten. Diese glückliche Regelung hatte ein Verzicht auf Erbauseinandersetzungen sehr vereinfacht, und auf diese Weise war aus Juliane vom Vorberg eine Theodora Maurocordato geworden.
    Gleich anfangs hatte der Patriarch Theodora, seinen Schützling, bei der jungen Witwe Elena Gika untergebracht, und die Freundschaft, die daraus entstanden war, gern gesehen. Er war der Meinung, daß die vornehmen Frauen einander in den Gefahren und Verführungen der Weltstadt mit Rat und Tat unterstützen und vor übler Nachrede bewahren könnten, oder - weniger kirchlich ausgedrückt - daß sie auch auf diese Weise in der Lage seien, alles zu tun, wozu sie Lust verspürten, ohne deswegen der Ehre verlustig zu gehen, von einer der Königinnen des Harems - vielleicht sogar der Walide selbst - zu einem Halwet, einem Kaffeeklatsch, geladen zu werden.
    Es stand wegen innerer Zwistigkeiten ohnehin nicht gut um das Patriarcheion, und das Eingreifen der Pforte war zu befürchten. Das war eben die Kehrseite der Macht, die der Padischah den Patriarchen ließ. Infolge dieser Rechtsbefugnisse behandelte der türkische Kaiser den christlichen Kirchenherrn nicht ganz zu Unrecht als seinen Beamten. Das alles kümmerte Paula Zay freilich recht wenig. Sie hatte ihre beiden Freundinnen und brauchte nun in Konstantinopel weder ein Gasthaus noch sonst ein Haus. Wenn sie von Zeit zu Zeit in die Hauptstadt fuhr, erwartete sie am Fanar ein Unterkommen, wie es einer anspruchsvollen Dame zukam, und eine Weibergesellschaft, der es weder an Lustigkeit nodi an gerade so viel Lüsternheit fehlte, wie zu einer vergnüglichen Auflockerung nötig war.
    Der interessanteste Mann der Gesellschaft war zweifellos Herr de Bohn oder von Bohn oder auch einfach nur Bohn, aber sonst von einwandfreiem dänischem Adel. Sein Wissen war groß und universell, seine Talente vielseitig. Bohns Persönlichkeit war stark genug, daß er trotz seiner bescheidenen Lebensumstände eine Rolle spielte. Unter anderem besaß er auch ein liebenswürdiges Zeichentalent, das ihn in Verbindung mit seinen wissenschaftlichen Kenntnissen befähigte, für die Pforte Landkarten zu zeichnen. Ein mäßiges Gehalt, das er dafür bezog, war die eine Seite seines Einkommens, die andere die Gage, die er als Gentilhomme de la cour de Son Altesse serenissime le Prince Rakoczy erhielt. In dieser Hinsicht war er Kamerad eines anderen Hofmannes des Prinzen, des Herrn Cesar de Saussure, eines Mannes mittlerer Begabung, der seinen Lebensunterhalt im Herrendienst, und zwar in einer Form zu suchen hatte, die sein Wappen gerade noch zuließ. Mit dem englischen Gesandten war Saussure nach
    Konstantinopel gekommen und nach einem Zerwürfnis mit diesem Brotherrn froh gewesen, beim Fürsten unterzukommen. Er hatte Bohn auf Befehl Seiner Hoheit aus Konstantinopel mitgebracht.
    Im ganzen waren es acht Personen, die sich schnupfend, kaffeetrinkend und bei nur kümmerlichem Genuß geistiger Getränke — der Fürst war abstinent - zusammengefunden hatten. Der achte war Desalleurs.
    Desalleurs war der französische Gesandte bei Rakoczy. Er war es bereits in den schweren ungarischen Kriegsjahren gewesen, kannte alle Fäden so gut und zuweilen besser als Rakoczy selbst, und im Lauf der Jahre waren des Fürsten Angelegenheiten so gut wie seine eigenen geworden. Es gab keinen Tag, an dem er sich nicht bitter beklagte, immer noch nicht nach Madrid, nach Warschau oder doch wenigstens Stockholm gekommen zu sein; aber er wäre sehr unglücklich gewesen, wenn man ihn in eine dieser Städte versetzt hätte. Auch war sein Posten in Rodosto, den kein anderer so wie er hätte versehen können, durchaus nicht unwichtig. Frankreich hatte auf diese Weise zwei Gesandte am Bosporus, und es war Desalleurs, der Villeneuve kontrollierte.
    „Die Absetzung Osman Paschas wird meinem Kollegen Villeneuve Kopfschmerzen bereiten“, meinte Desalleurs.
    „Ihnen nicht, Exzellenz?“ fragte der Fürst.
    Er hatte einiges Recht zu dieser Frage. Von den Westmächten war er zwar immer noch als Fürst von Siebenbürgen anerkannt, aber nur, weil man hoffte, daß er bei einem neuen Krieg gegen

Weitere Kostenlose Bücher