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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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genug gewesen, schon bei der ersten Begrüßung ein lebhaftes Interesse für seine Arbeiten zu zeigen, ein Interesse, das sie weit entfernt war, in Wirklichkeit zu hegen.
    „Ganz recht, mein Herr“, sagte sie zu Bohn, „so könnte es sein. Allerdings . . .", sie ließ eine kleine Pause verstreichen. „Sie wissen doch, daß ein Padischah sich bei Audienzen kaum so weit herabläßt, selbst das Wort an einen Gesandten zu richten?“
    „ Iich bin lange genug in Konstantinopel“, gab er hochmütig zurück, „um mit den Sitten im Serail vertraut zu sein.“
    „Natürlich“ - Julienne lächelte ihn beflissen an -, „das meine ich. Deswegen dachte ich, würde es vielleicht interessieren, daß Sultan Mahmud Herrn von Talmann persönlich antwortete . ..“ „Unmöglich!“ Bohn sprach aus, was alle dachten. Alle wußten, daß es ,unmöglich' sei. „Ihr Gewährsmann muß sich irren, Prinzessin.“ „Es wäre jedenfalls eine unerhörte Neuerung“, meinte Desalleurs. „Du, Thea“, Paula Zay beugte sich zu Julienne hinüber, wobei sie die großartige Theodora in eine ,Thea‘ milderte, „wenn die Herren doch alle sagen: Das kann’s nicht geben? Die Leut’ schwätzen so viel...?“
    Julienne wandte sich an den Fürsten.
    „Wenn Hoheit glauben, daß diese Nachricht die Lage wesentlich verändern würde —“
    „Von Grund auf, Madame.“
    „Übermorgen könnten Hoheit die Bestätigung haben.“ „Bestätigung?“ fragte Bohn. „Von wem?“
    „Vielleicht von Herrn von Talmann?“ sagte Julienne. „Er hat keine Veranlassung, die Tatsache zu verheimlichen.“
    „Und wer soll ihn fragen?“
    „Könnten Sie es nicht tun?“ warf Julienne hin.
    „Ich wäre wohl der letzte!“ antwortete Bohn mit betonter Schroffheit. „Allerdings“, klärte nun auch der Fürst Julienne auf, „ein Mitglied meines Hofes ...“
    Man war ratlos, man zweifelte, ob man fortfahren solle oder nicht -jedenfalls hatte Julienne die Beratung ins Stocken gebracht, als ein Kurier mit einer Depesche für Herrn von Desalleurs gemeldet wurde, der sie nach erhaltener Erlaubnis des Fürsten erbrach.
    Nichts war zu hören als das Knittern des Papiers. Dann ließ der Gesandte das Blatt sinken.
    „Es stimmt“, sagte er, „Villeneuve bestätigt die Meldung unserer verehrten Freundin. Der Sultan hat sich sogar nach dem Befinden des Kaisers erkundigt, und auch der Marquis hält den Fall für wichtig genug, midi zu bitten, mit Hoheit darüber zu sprechen.“
    Man sah, daß der Fürst Anstalten machte, aufzuspringen; aber seine Selbstbeherrschung war zuletzt stärker als dieser erste Impuls. Alle warteten, daß er das Wort ergreifen würde.
    „Lassen Sie uns bitte“, begann er, nachdem er sich etwas gesammelt hatte, „die Lage gemeinsam überlegen. Als ich von Ahmed III. in Audienz empfangen wurde, hatte man midi als Bundesgenossen aus Frankreich hierhergebeten. Diese Audienz allein war schon eine Drohung für Österreich, ich sollte den Aufstand in Ungarn erneuern, und die Rede des Padischahs, die Sie kennen, verstärkte die Drohung noch. Aber bei mir war es etwas anderes, ich bin rechtmäßig gewählter und legitimer Fürst von Siebenbürgen und kein Gesandter. Im Fall des Herrn von Talmann ist die Ansprache Mahmuds eine unerhörte Neuerung. Sie wäre es, wenn Seine Majestät sich mißfällig geäußert hätten. Das hat der Sultan aber nicht getan. Er erkundigte sich vielmehr nach dem Wohlergehen Karls VI. als dem eines befreundeten Monarchen. Dazu die Rangerhöhung des Gesandten - und wir wissen doch, wie schwierig die Pforte in diesen Fragen ist das alles läßt wohl kaum eine andere Deutung zu, als daß die Türkei sich Österreich nähert und von Frankreich abrückt.“
    Für Franz II. Rakoczy war das ein schweres Wort. Es zerstörte den Sinn des Lebens, das vor ihm lag.
    „Und wenn es nur eine Finte wäre, um Österreich zu beruhigen?“ ließ Bohn einfließen. „Wir wissen alle, wie schwach die Türkei an der Donau ist.“
    „Darüber könnte uns höchstens Exzellenz Desalleurs etwas sagen“, meinte der Fürst.
    „Ich bin leider nicht in der Lage. Morgen kehre ich nach Konstantinopel zurück.“
    Paula Zay hielt den Augenblick für gekommen, in dieser Stimmung ohne Trost ihrerseits einiges zu äußern.
    „Der Franzosenfreund Topal Osman wird abgesetzt, und Ali Pascha, der alles andere sein soll als das, wird berufen. Es ist ein Jammer, daß an einen Padischah nicht heranzukommen ist. Ich, wenn ich im Harem wäre ..."
    „Gewiß,

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