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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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überhaupt nicht, so daß Julienne sich gar nicht verwunderte, einen Gartenarbeiter anzutreffen. Gerade wollte sie sich bei ihm erkundigen, ob er Seine Hoheit gesehen habe, als sie entdeckte, daß der Gärtner der Fürst selber war.
    Nachdem er der Jagd entsagt hatte, war Rakoczy ein leidenschaftlicher Gärtner geworden. Schon im Kloster Grosbois, in dem er angeblich als Benediktiner, in Wirklichkeit aber in einer von ihm erbauten Villa gelebt hatte, waren gärtnerische Versuche seine tägliche Beschäftigung gewesen, und jetzt kam erst einmal ein Gartengespräch zustande, wie es zwischen dem glücklichen Besitzer und einem höflichen Besucher noch zu allen Zeiten stattfand. Blumen, insbesondere Rosen, wurden gezeigt, die gar nicht da waren, und Flecken schwarzer Erde, auf denen noch etwas wachsen sollte. Aber den Fürsten befriedigte die Unterhaltung außerordentlich. Sie lenkte ihn von der Politik ab, gerade von dem, weswegen Julienne gekommen war.
    Der Fürst entging demnach seinem Schicksal nidit. Julienne brachte ihr Vorhaben in Erinnerung.
    „Wollen wir ins Haus gehen?“ fragte er.
    Julienne sah sich vorsichtig um und erblickte keine gefährlichen Büsche, wohl aber eine Fontäne, die sie als Sitzplatz vorschlug.
    „Sie sind sehr vorsichtig“, meinte der Fürst.
    „Was ich Ihnen sagen möchte, ist nichts für Lauscher.“
    „Ich fürchte nur, daß wir nichts mehr zu verbergen haben. Denn daß meine Sache verloren ist, weiß man ohnehin.“
    „Es scheint so“, sagte sie. „Ich möchte Ihnen dennoch vorschlagen, zu untersuchen, ob es sich wirklich so verhält. Sie können sich eine
    Erhebung Ungarns nur im Bündnis mit Frankreich und der Pforte vorstellen?“
    „Wie denn sonst, meine Dame? Ich brauche Geld und Waffen. Der ungarische Adel hat weder das eine, noch das andere. Österreich hat
    ihm beides genommen.“
    „Der ungarische Adel...", wiederholte Julienne. „Lassen wir einmal die Türkei und Frankreich beiseite. Sie sitzen hier in Rodosto und halten die Verbindung mit dem ungarischen Adel aufrecht. Von 1703 bis 1711 haben Sie mit ihm gegen Österreich gekämpft. Damals war der Adel revolutionär. Wie die ganze Nation war er unterdrückt.“
    „Er ist es nodi heute.“
    „ Iich weiß. Trotz des Szathmarer Friedens. Wann hätte Österreich jemals Schwächeren gegenüber seine Verträge gehalten? Der ungarische Adel ist heute noch mehr unterdrückt als damals, da er die Waffen erhob. Abgaben aller Art bedrängen ihn. Seine Burgen, seine Festungen sind von deutschen Soldaten besetzt, in deren Mitte er leben muß. Von Spitzeln umgeben, hat er jeden Tag mit Hochverratsprozessen zu rechnen. Im ganzen Land sitzen auf Gütern, die den Ungarn geraubt wurden, Fremde, Feinde, kaiserliche Generäle, die lachend das Raubgut als Schenkungen einstreichen ...“
    „Oh, wenn Sie ihre Briefe lesen wollten, die Briefe meiner Ungarn!“ rief Rakoczy pathetisch und sentimental.
    „Gewiß, Briefe“, erwiderte Julienne trocken. „Es mag auch wohl wehtun. Aber sie leben doch, Ihre Leute vom Adel. Sie haben doch immer noch etwas zu verlieren. Es ist ihr Letztes, und gerade darum werden sie es nicht aufs Spiel setzen. Es sind über zwanzig Jahre her seit dem Ende Ihres Krieges. Haben Sie sich nie überlegt, warum Sie ihn verloren haben? Tun Sie es doch, ehe Sie einen neuen beginnen. Denn Sie waren es nicht, der den alten begann. Sie waren vor dem Henker nach Polen geflohen - eine ganz natürliche Handlung, aus der Ihnen kein Vorwurf zu machen ist. Von dort her rief man Sie. Begonnen haben Bauern den Krieg, Leibeigene, Sklaven, zu Tieren herabgewürdigte Menschen, die vor ihrem Elend in die Wälder geflohen und dort Banditen geworden waren oder doch Leute, die mit
    Räubern zusammensteckten, weil jeder Halsabschneider ihnen lieber sein mußte als ein Steuereintreiber. Das waren die Menschen, von denen Sie gerufen wurden, Sie, der Fürst, weil diese Enterbten an ihrer Spitze einen Namen brauchten. Nun ja, jeder Mann wird Ihnen zugeben müssen: Um aus diesen Zusammenrottungen Regimenter zu machen, brauchten Sie Offiziere. Und da bot der Adel sich dar, der seinerseits auch wieder seine Leibeigenen mitbrachte. Von Anfang an wurde auf diese Weise das Heer mit der Hörigkeit vergiftet. Im Handumdrehen war aus dem Bauernkrieg ein Adelskrieg geworden.“ „Meine Liebe, die früheren Bauernaufstände wurden sofort erstickt. Die Bauern selbst erkannten das, als sie mich riefen, und mein Krieg hat Österreich acht Jahre zu

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