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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Manifest wird nicht mehr gesprochen. Werden wir also das, was Sie ,wirklich“ nennen. Immerhin haben Sie Ihren Krieg nicht unbegabt geführt...“ Der Fürst verneigte sich stumm; aber Julienne übersah diese Ironie vollkommen.
    „... keineswegs unbegabt, mein Fürst“, wiederholte sie unbeirrt. „Sie werden also militärische Dinge begreifen. Auf diesem Gebiet habe ich Ihnen nämlich etwas vorzuschlagen.“
    „Verzeihung, mein Fräulein, was legitimiert Sie als Unterhändlerin? Bis jetzt sah ich kein Schriftstück.“
    „ Iich bin heute hier und spreche heute. Aber Sie brauchen sich nicht in diesem Augenblick zu entscheiden. Inzwischen können Sie beim Kiaja, dem Stellvertreter des Großwesirs, verhandeln lassen. Dort werden Sie zwar nicht das geringste über midi, wohl aber zur Sache so viel erfahren, daß ich Ihnen als legitimiert erscheinen werde.“
    „Es ist gut“, sagte Rakoczy. „Was haben Sie vorzuschlagen?“ „Waffen für insgesamt hunderttausend Mann: Infanterie, Artillerie, eingeschlossen zwanzigtausend Mann Kavallerie. Die Artillerie mit Feldgeschützen. Festungsartillerie wäre vom Feind zu erobern. Selbstverständlich Munition und jeder Nachschub in erforderlicher Menge.
    Proviant für drei Monate. Es wird angenommen, daß Ihre Armee sich beim Vorrücken aus dem Lande ernähren kann. Für den Beginn sechshundert Offiziere aus der Schule des Herrn von Bonneval..." „Dieser Mensch will midi als Fürst von Siebenbürgen nicht anerkennen!“
    „Bonneval ist in seiner Art ein Genie und zugleich ein Narr. Er ist Pfortendiener, und die Offiziere - alle echt christlich - werden da sein. Zufahrt und Schmuggel, wenn alle anderen Wege blockiert sein sollten: Jassy. Außerdem die Höchstsubsidie, die Sie von Ludwig XIV. erhielten, umgerechnet zum Tageskurs. Ist sonst noch etwas zu bemerken?“
    „Ich habe noch niemals so viel gehabt. Es fragt sich nur, was ich dafür zu tun hätte.“
    „Sie, Fürst, hätten Ihren Nimbus zur Verfügung zu stellen, er ist das einzige, was sich in zwanzig Jahren nicht verflüchtigt hat. Sie sind beute mehr Nationalheld in Ungarn als je.“
    „Und weiter?“
    „Sie hätten ein Manifest zu erlassen, das allen ungarischen Leibeigenen die Freiheit gibt...“
    „Prinzessin!“ schrie Rakoczy und sprang auf.
    „.. . sie zu freien Besitzern des von ihnen bebauten Bodens erklärt und den bisherigen Eigentümern eine Entschädigung in Aussicht stellt.“
    „Niemals!“ Rakoczy faßte sich mühsam. „Sie sind doch Christin, mein Fräulein, als ein christliches Mädchen erzogen. Begreifen Sie denn nidit, daß ich, ein ungarischer Magnat, dem ungarischen Adel nicht seinen Besitz nehmen kann, sein Land nicht und nicht die Leibeigenen, die doch sein wertvollster Besitz sind? Das wäre ja Raub! Ich hoffe zu Gott, daß ein Mann meines Namens sich niemals auf dem Weg solcher Verbrechen betreffen lassen wird.“
    „Leibeigene sind also keine Menschen. Sie sind ein Besitz.“
    „Das sagte ich nicht. Diesen Leuten, deren Los schwer ist, ja, ich gebe zu, oftmals grausam, legte die Vorsehung auf, sich zum Heil ihrer Seele demütig unter den unerforschlichen Ratschluß des Höchsten zu beugen.“ „Es tut mir leid, die historisdien Kenntnisse Euer durchlauchtigsten Hoheit anzweifeln zu müssen ..."
    „Hier gelten keine Kenntnisse, sondern gilt nur Unterwerfung.“
    „. .. sonst würden Hoheit wissen, wie freie Menschen zu Sklaven gemacht wurden. Sehen Sie sich doch an, was Sie in der Türkei vorfinden. Hier gehört aller Grund und Boden dem Padischah. Leibeigene gibt es hier nicht.“
    „In Ungarn hat Gott es zugelassen, und so ist es in Ungarn gut. Wenn ich am Jüngsten Tag vor Gottes Richterstuhl stehe, will ich diese Schuld der Empörung gegen den Willen des Höchsten nicht auf mich geladen haben.“
    „Sie möchten also zu den weißen Lämmern auf der rechten Seite gehören?“
    „Sie nidit?“
    „ Iich habe nicht viel Angst, aber vor der Langeweile habe ich welche, und so verzichte ich lieber auf die weißen Lämmer. Nur, mein Fürst... übersteigt es Ihre Vorstellungskraft, daß am Jüngsten Tag, sagen wir mal die durch keine Dogmen zu bestechende Gerechtigkeit ihren Richterstuhl aufstellen könnte? Was glauben Sie, hätte Ihr lieber Gott dann zu stammeln, wenn er für alles, was er in seiner hochherrschaftlichen Allmacht zugelassen hat, sich verantworten müßte?“ „Sie lästern Gott! Das ist Gotteslästerung!!“
    „Das ist Theologie, mein Fürst“, entgegnete

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