Der Eunuch
„Um uns Frauen zu begreifen, sind sie viel zu dumm.“ Julienne widersprach nicht.
„Aber in diesem Aufzug“, erklärte sie mit Entschiedenheit, „darfst du hier nie wieder erscheinen. Auch diese hellblonde Perücke, mag sie noch so gut gemacht sein, wirst du nie wieder aufsetzen. Dafür erwarte ich dich“ - sie überlegte - „sagen wir übermorgen nachmittag in voller Gala bei uns zu Besuch. Die Batthany wird auch da sein. Wir beide - du und ich - kennen uns erst seit jener Nacht in Neuhäusel. Außerdem würde ich midi wundern“, lachte sie, „wenn Onkel Andlaw sich nicht in dich verliebte. Iich selbst habe es nämlich mit ihm verdorben.“
„Weswegen?“
„Er kann den Gedanken nicht ertragen, daß ich ganz ohne Röcke in die Badebalge steige. Er ist moralisch, weißt du?“
Aber Paula war nicht zu beirren.
„Ach was, moralisch“, sagte sie, „verliebt ist er in dich und krankt nun an unbegangenen Sünden.“
30
„Jesche, mein Sohn, was sprichst du: gib dem Prinzen kein Geld? Hat doch dein Großvater Samuel ihm gegeben und zuletzt dabei gewonnen?“
„Sag lieber: uns einen großen Schlamassel hinterlassen.“
„Haben uns aber mit Gewinn rausgezogen.“
„Ich sage nicht: gib ihm nidit, Tate, liefere nicht. Ich sage: liefern wir, aber gegen bar. Und wenn bar nicht da ist, gegen gute Pfänder. Und wo sind Pfänder?“
„Wenn der Herr Prinz aber siegt?“
„Dieser Mann wird nicht mehr siegen, Tate, am allerwenigsten gegen
die Türken. Doch das meine ich nicht. Krieg ist immer das beste Geschäft. Er ist ein Geschäft beim Siegen, er ist ein besser Geschäft beim Verlieren. Nur muß man es aushalten können.“
„Und können wir nidit?“
„Ich habe nicht gesagt: wir können nicht. Ich habe gesagt: wir müssen rechnen. Und dieses Mal sehr genau. Wenn es fürs Siegen nicht langt, für die Katastrophe langt es allemal.“
„O Jesche, mein Sohn, erleben möchte ich, daß du einmal nicht recht haben wolltest!“ rief Vater Oppenheimer halb bewundernd, für die andere gute Hälfte aber auch verärgert. Es war die Verärgerung, die ihm zuletzt noch den Ausruf entlockte: „Und der Mamme sag ich es doch!“
„Das tust du nidit!“ erhob sich Jesche mit allem Nachdruck gegen diese väterliche Drohung. „Ein Streit wie unsrer, der kein Streit ist -da bleibt die Mamme draußen. Ich könnte sonst auch mal was erzählen“, fuhr er sehr gefährlich fort, „was dir gar nicht gut bekäme.“ „Mein eigen Fleisch und Blut gegen den eigenen Tate!“ zeterte Jesches Erzeuger.
„Für die eigene Mamme“, rechtfertigte sich der entartete Sohn. „Du bist der Tate; aber die Mamme ist die Mamme.“
Das war eine Feststellung, die beim älteren Oppenheimer sichtlich Beklommenheit auslöste. Einen Sohn, der alles aussprach, hielt er für eine Strafe Jehovas. Aber er fürchtete Jehova, und so fürchtete er in gewissen Abständen auch seinen Sohn.
Bekümmert schüttelte er den Kopf.
„Wenn man so denkt“, klagte er, „wie du in London lebst, in Amsterdam, in Italien und bei den Türken - gar nidits von einem Jud! Man möchte glauben, du seist geschmatt’.“
„Aber die Geschäfte waren gut?“
„Die Geschäfte, ja. Aber deine unsterbliche Seele! Daran denkst du nicht.“
„Du kannst ganz ruhig sein, Tate. Ich werde mich nie taufen lassen. Was würde der Papst wollen? Mein Geld. Und die Protestanten würden auch wollen, daß ich zahle. Und bleiben würde ich für sie immer ein Jud und nach dem Schmatten ein schäbiger Jud. Was hätte ich
also davon? Nur Verlust. Natürlich will auch die Synagoge mein Geld. Doch dafür habe ich die Konnexionen, und die sind Gewinn.“ „Dann versteh’ ich nicht, daß du die Rahel nicht nimmst, wie die Mamme es will. Geld hat sie, die Rahel!“
„Aber nicht so viel, daß ich deswegen ihre ganze Mischpoche mitheiraten möcht’. Iich hab schon eine Mischpoche.“
„Ja“, triumphierte der Tate, „uns hast du!“
„Und mich selbst. Damit ist mein Bedarf an Juden gedeckt.“
„An Juden? Bist du überhaupt ein Jud? Bringst dir da eine Goite mit, eine ausgerissene, weggelaufene von ihrem Mann, deine Kalle. Daß du dich nicht schämst vor der Mamme, vor deinen Schwestern, vor der ganzen Gemeinde. Der Rebbe ..."
„Der Rebbe soll sich hüten. Wenn er sein Maul zu weit aufreißt, hat er den letzten Gulden von mir gesehen. Die Goite, von der du sprichst, ist eine Baronsfrau, eine Grafentochter, eine ungarische Magnatin...“ „Ohne die
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