Der Eunuch
eintragen konnte.
Es schien demnach alles in Ordnung zu sein, als Julienne ein Billett gebracht wurde. Es sei von einer ,Person', wurde ihr erklärt, die sich nicht abweisen lasse.
Julienne überlegte: Eine Person sei ein weibliches Wesen mehr dienenden als bedienten Standes, und soweit es das Billett betraf, hatte sie recht. Es behauptete, eine Angestellte des Modenhauses Fournier aus der Kärntner Gasse bitte Ihre Gnaden, sie vorzulassen. Aber das allein hätte kaum zur Erfüllung der Bitte gereicht.
„Sie soll kommen“, sagte Julienne dennoch. Sie hatte die Handschrift erkannt.
„Aber Euer Gnaden können so doch nicht . .."
„Meinen Morgenrock“, schnitt Julienne jede Erörterung ihres völlig unbekleideten Zustandes ab und erhob sich mit viel Geräusch aus dem Wasser. Nach flüchtigem Abtrocknen warf sie den Morgenrock über, und da schob sich die hartnäckige Person auch schon mit einem großen Karton durch die Tür.
„Laß uns allein“, befahl Julienne, und die geistliche Zofe verschwand. Erst dann wandte sich Julienne der Eingetretenen zu.
„Paula!“
„Du wunderst dich, was?“
Die Baronin Zay aus Rodosto umarmte ihre Freundin Julienne, und das dauerte einige Zeit.
„Vor allem sprich leise“, sagte Julienne als erstes, „und präge es dir ein, ganz fest, daß ich keineswegs Theodora Maurocordato bin.“ „Wie?“ fragte Paula. „Ich bin ganz verwirrt. Auch Bohn darf es nicht wissen?“
„Was ist mit Bohn?“
„Er hat mir geholfen, als ich heimlich ausreißen wollte, und dabei bat er mich, es ihn wissen zu lassen, falls ich dir in Wien begegnen sollte.“
„Also Bohn ist schon der letzte, der über mich etwas erfahren darf.“ „Zu mir war er sehr gefällig, und es so zu nennen, ist noch zu wenig. Was hast du gegen ihn?“
„Mir ist er zu undurchsichtig. - Höre, Paula, wir sind Freundinnen und Frauen müssen Zusammenhalten. Nichts von einer Thea Maurocordato zu Bohn! Und überhaupt zu niemandem - ohne jede Ausnahme.“ „Wie du willst, Thea . ..“
„Ich heiße Julienne.“
Auf Paulas Gesicht erschien eine spießgesellige Grimasse.
„Auf mich kannst du zählen - wie sagtest du? - Julienne'? Und das ist dein richtiger Name? Dann bist du wohl auch die richtige Nichte des Herrn von Andlaw?“ - sie lachte.
„ Iich bin es wirklich, Paula.“
„Ach so, reuige Rückkehr ins Onkelhaus? Dann will ich es glauben. Wenn mir es auch um Elena leid tut.“
„Elena?“ „Sie hat sich so über dein Verschwinden gegrämt, daß sie - bitte, erschrick nicht! Sie hat den Schleier genommen. Jedenfalls war sie gerade dabei, es zu tun, als ich Konstantinopel verließ.“
Julienne war nicht leicht zu erschüttern; jetzt aber war sie es. Elena... armes Mädchen, dachte sie. Die kleine Eifersüchtige sei ihr Opfer geworden, das Opfer ihrer Aufgabe, die sie, Julienne, übernommen habe; aber ... immerhin ihr Opfer ... Wenn man den Eintritt in ein Kloster von jemandem, der für das Kloster seinen Anlagen nach geschaffen sei, als ein Unglück betrachten wolle. Dort habe Elena alles, was sie brauche. Ein Mann werde niemals ihren Pulsschlag beschleunigen. Nein, kam Julienne zum Schluß, ihre Erwägung sei keine billige Selbstbeschwichtigung, sie sei die reine Wirklichkeit. - Nur das unbehagliche Verantwortungsgefühl blieb ihr, daß sie es gewesen sei, die einem anderen Leben die entscheidende Wendung gegeben habe ... ein wehmütiges Denken an die Kleine blieb ihr - in ihrem eigenen, Juliennes Leben zwar nur eine Episode -, aber doch nicht so einfach wegzudenken, diese kleine Verliebte.
„Tut es dir leid um sie, Paula?“ fragte sie jetzt. „An irgendeinem Tage wäre es doch geschehen. Jedenfalls erscheint es mir so besser, als wenn sie ihrer Familie nachgegeben und sich von neuem hätte verheiraten lassen. Elena ist nichts für eine Ehe mit einem Mann.“ Paula lachte.
„Aber für die Ehe mit dir war sie sehr zu haben. Wenn sie nur nicht so eifersüchtig gewesen wäre. Daß ich es nicht war, mußt du zugeben. Wir beide - du und ich -, wir werden uns nie das Leben erschweren. Außerdem bin ich schamlos verliebt, und zwar - du wirst es kaum glauben - in einen Mann!“
Daß Paula dieses Geliebten wegen den guten Baron Zay, ihren eigenen Gatten, verlassen und sich aus Konstantinopel fortgemacht habe, brauchte sie ihrer Freundin nicht erst zu sagen.
„Er war es auch“, fuhr Paula fort, „durch den ich dich fand.“
„Kenne ich ihn?“
„Du kennst ihn. Aber trotzdem ist unser
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