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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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sagte mir, die Baronin Andlaw befände sich in der Bibliothek. Lassen wir sie bitten.“
    Es kam nicht dazu. Baron Andlaw erhob sich steif und gemessen, Wie eine Kriegserklärung klangen seine Worte.
    „Nach Lage der Dinge“, sagte er, „halte ich es für angemessen, wenn ich als Juliennes Onkel sie hole.“
    Mit einer Verneigung, der auch Eugen nichts entgegenzusetzen wagte, verließ Andlaw den Saal. Sehr wohl fühlte sich Talmann dabei nidit. Andlaw hatte als Juliennes Onkel“ sein Wappen vor sie gestellt, und Talmann kannte den Biedermann lange genug, um zu wissen was das hieß. Dagegen konnte Paula sich trotz ihrer Ängste nicht eines recht weiblichen Gedankens erwehren: Aha, also doch verliebt! dachte sie. Nämlich Andlaw in Julienne.
    In der Tat betrat Julienne an ihres Onkels Arm den Saal. Die. Begrüßung litt ein wenig unter Möglichkeiten, die man - je nach der
    Persönlichkeit - hoffte oder fürchtete. Seine Hoheit selbst war über die Veranlassung dieser Konferenz nicht erbaut. Die einzige von allen, die sicher schien, war Julienne.
    Es ergab sich, daß der Hausherr so etwas wie den Vorsitz bei dem Gespräch übernahm, das sich nun anbahnte.
    „Herr von Talmann, unser Resident in Konstantinopel“, sagte er, „ist ein fähiger und geschätzter Beamter“ - ein Lob, für das Talmann mit einer Verbeugung dankte „wenn ein solcher Mann mir brieflich Vorsicht anrät, so muß ich mich wohl vergewissern. Man hat mich oft wegen übergroßer Vorsicht getadelt und gelegentlich auch wohl verspottet; aber zuweilen hat mir meine Vorsicht große Dienste geleistet. Das ist der Grund, warum ich die Herrschaften inkommodiere. Und nun darf ich wohl Herrn von Talmann bitten, uns mit seinen Befürchtungen bekannt zu machen.“
    Am liebsten wäre Andlaw aufgesprungen, doch der Prinz besänftigte ihn durch einen sichtbaren Freundschaftsbeweis. Er legte seine Hand mit leichtem Druck auf den Arm des Barons, was Talmann nicht übersehen konnte. Der Herr Resident fühlte sich darum auch gar nicht mehr so siegesgewiß.
    „Aus einer geheimen, aber mir als durchaus sicher bekannten Quelle“, begann er dennoch, „erfuhr ich, daß eine Parteigängerin des Fürsten Rakoczy spurlos aus Rodosto verschwunden sei und auch Konstantinopel verlassen habe - vermutlich in geheimer Mission. Es handelt sich um die Nichte Konstantin Maurocordatos, des Fürsten der Moldau. Meine Nachforschungen in der Moldau und der Walachai blieben ohne Ergebnis. Aber auch Wien kommt noch in Frage. In erster Linie mußten mich natürlich Damen interessieren, deren unmittelbar zurückliegender Aufenthalt nicht geklärt ist. . .“
    „Und dann machten Sie mir Ihren heuchlerischen Besuch!“ rief Andlaw. „Ich nenne das —“
    „Bitte nicht, lieber Andlaw“, unterbrach ihn Eugen. „Sprechen Sie es nicht aus. Wir wissen ohnehin, was Sie sagen wollten, und wir wissen auch, welche Dame gemeint ist.“
    „Es war nur ein Verdacht“, sagte Talmann, „wie hätte ich beweisen können, daß Baron Andlaws Nichte in Wirklichkeit Prinzessin Makro-cor dato und eine fanatische Parteigängerin des Rebellen Rakoczy sei? Da aber traf die Baronin Zay in Wien ein, und die Frau Baronin verhehlte keineswegs, daß sie als Frau ihres Gatten am Hofe Rakoczys gelebt habe. Sie also muß Theodora Maurocordato kennen.“
    „Ist das der Fall, Baronin?“ erkundigte sich der Prinz.
    „Da die Maurocordato beim Fürsten ein und aus ging, kenne ich sie“, sagte Paula, „und da ich sie kenne, stelle ich fest, daß die Prinzessin nicht zugegen ist - in diesem Kreis jedenfalls nicht. Etwas anderes könnte Herr Bohn auch nicht sagen“, schmetterte sie noch ziemlich abgefeimt hinterher.
    Ihre Berechnung war richtig gewesen. Empört sprang Talmann auf. So sehr vergaß er jede Haltung.
    „Baronin Zay!“ rief er. „Sie decken ein Staatsgeheimnis auf!“
    „Ist Herr de Bohn ein Staatsgeheimnis? Das hätte ich nie gedacht“, plauderte Paula, so munter und unbefangen sie nur konnte, und die holde Unschuld in einem solchen Zustande zum Schweigen zu bringen, war sehr schwer - viel zu schwer für den Herrn Residenten. „Bohn ist einer der Gentilhommes de la Cour und Intimus des Fürsten“, fuhr sie fort, „ein reizender Mensch! Ich meine den Bohn. Er war es auch, der mir beim Ausreißen half, und zuletzt bat er mich, ich möge ihm Nachricht geben, wenn ich die Thea in Wien treffen sollte. Bis jetzt habe ich sie nicht getroffen. Leider. Und nun soll der liebe Bohn auf einmal ein

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