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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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die Aussicht, Pascha zu werden, während die Soldaten Österreichs und des Reiches sich an den Stockprügeln genügen lassen müssen.“
    „Sie sind dreist - finden Sie das nicht auch?“
    „Hoheit schmeicheln mir.“
    „Nicht so sehr. Ich glaube Ihnen nämlich nicht, daß die Pforte aus ihren Juden keine Anleihen herauspreßt.“
    „Euer durchlauchtigste Hoheit geruhen zu übersehen, daß sich harte Münzen in jüdischen Händen leicht in Wechsel verwandeln und Wechsel an einem beliebigen Ort unserer Erdkugel ebenso leicht wieder in Hartgeld.“
    „Zahlen Ihre Leute denn überhaupt nichts?“
    „Sie zahlen Steuern.“
    „Und wer kontrolliert sie?“
    „Die Synagoge. In der Türkei weiß sie, daß die Steuern ehrlich gezahlt werden müssen, und dort weiß sie auch, daß est zuletzt für das Volk selbst geschieht.“
    Der Prinz antwortete nicht mehr. Es ergab sich einer jener Augenblicke, die in letzter Zeit so häufig waren, in denen er nur noch vor sich hinstarrte. Plötzlich schreckte er auf.
    „Sie können gehen“, sagte er müde und ohne jeden Zorn.
    Bevor der junge Oppenheimer die Bibliothek verließ, machte er zwei Verbeugungen - die vor Julienne war die tiefere.
    „Können Sie sich denken, Julienne“, begann nach Jesches Fortgehen der alte Mann mehr wie im Selbstgespräch, „daß ich den Vater dieses Menschen stehen und von General Hohenberg befragen ließ, ohne selbst das Wort an ihn zu richten? Ich werde mir das abgewöhnen.
    Der junge Kerl wäre imstande, mir zu sagen: .Kredit gibt es nicht' . . . ja ... und wir brauchen Kredit.“
    Wiederum breitete Schweigen sich aus, währenddem Julienne an Beschir denken mußte.
    „Der Großvater, der Reichsfaktor“, fuhr der Feldherr von einst fort, „den habe ich blaß gesehen - aus Angst, seine Wechsel nicht einlösen zu können, den alten Samuel. Es scheint nun, daß es für diese Leute dasselbe ist, ihren Namen als Bankbrüchige am Schwarzen Brett der Amsterdamer Börse zu wissen, wie für einen Adeligen, sein Wappen durch Henkershand zerbrochen zu sehen . . .“ Der Prinz blickte auf. „Seltsam, nicht wahr?“
    Es gab etwas, was man sich in den Wiener Salons nur in die Ohren flüsterte.
    „Also die Baronesse Andlaw?“
    „Ja die! Die hier plötzlich so Hereingeschneite. Niemand weiß woher.“ „Und die-?“
    „Ja, eine große Kufe aus Holz - so groß, daß sich eine ausgewachsene Person hineinlegen kann.“
    „Ließ sie sich machen -?“
    „Ja, denken Sie, meine Teure.“
    „Daß sich ein ehrbarer Böttcher zu so etwas hergibt!“
    „Das sage ich auch. Und in dieser Kufe läßt sie heißes und kaltes Wasser mischen —“
    „Die armen Mägde, die das alles herbeischleppen
    und damit den Tag gleich anfangen müssen! Dann - denken Sie, Liebe - mitten hinein steigt die Andlaw in das warme Wasser, so wie sie aus dem Bett kommt.“
    „Das kann doch unmöglich gesund sein.“
    „Natürlich nicht! In Krankheitsfällen werden wohl auch Bäder verordnet; doch dann bekommen die Bedauernswerten wenigstens ein langes Badehemd angezogen. Aber, was meinen Sie, tut die Andlaw?“
    „Bitte, sprechen Sie!“
    „Sie zieht es aus.“ „Was?“
    „Ihr Hemd zieht sie aus, bevor sie in die Balge steigt. Ich habe es aus sicherster Quelle.“
    „Also ganz - ganz .. .?“
    „Splitterpudelnackend, meine Liebe!“
    „Ach ...“
    Die Damen hatten vollkommen recht. Genau in dem erwähnten Zustande saß Julienne an diesem gesegneten Morgen in ihrem Badewasser und ließ sich von der geistlichen Zofe, der mitgebrachten Laienschwester, den Rücken seifen, während Juliennes weltliche Gewänder - Hemd, Mieder, Taille und viele Röcke - bereits ausgebreitet der Dame harrten. Wenn aber auf Grund eines klösterlichen Dispenses, um mit ihrem griechischen Ritus in Wien nicht aufzufallen, Julienne sich weltlich kleidete, so vernachlässigte sie dennoch nichts, was ihrer angeblichen Eigenschaft als Nonne entsprochen hätte. Betschemel, Kruzifixus, Rosenkranz waren da, und selbst eine Geißel fehlte nicht. Die Laienschwester, die sich in gleicher Lage befand, war für die Eingeweihten - vor allem für die am meisten zu fürchtende Batthany - ein weiteres Attribut geistlichen Wandeins, und für die Nichteingeweihten konnte tätige Frömmigkeit nie etwas schaden. Andererseits war von der Laienschwester mit den unantastbaren Papieren überhaupt nidits zu fürchten. Man wußte in Konstantinopel zu viel von ihr, was ihr anderswo Folter und ähnliche Verdrießlichkeiten

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