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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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schrak er zusammen, und sofort verlangte es ihn danach, seine Lage genau zu überprüfen.
    „Verzeihen Sie mir, Julienne“, sagte er und streckte ihr seine Hand hin, die sie nahm. „Wenn die Verbindung mit Mahmud Ihrem Wunsch und Ihrem Bedürfnis entspräche — was könnte ich anderes tun, als schweigend zurücktreten? Nun ist aber diese Verbindung — was Mahmud auch denken mag - vom Standpunkt der Walide ein Experiment ..."
    „Den Eindruck hatte ich auch, als ich mit ihr sprach“, bestätigte Julienne eifrig. „Ich soll Mahmud zu den Frauen bekehren, nicht wahr?“
    „So ungefähr - allerdings muß ich hinzufügen, daß Mahmud von keinem seiner männlichen Geliebten jemals beherrscht wurde.“
    „Das will viel sagen“, meinte Julienne. „Ich bin jedenfalls der Überzeugung, daß er sich nach nichts so sehnt, wie beherrscht zu werden, und zwar nicht nur so, wie von seiner Mutter und von Ihnen, sondern so direkt wie nur möglich.“
    „So direkt wie nur möglich“, wiederholte er. „Da es Ihnen auf diesem Gebiet nicht an Erfahrung fehlt, so dürfte die Macht mit Recht Ihnen zufallen, und ich werde aufhören, sie zu besitzen.“
    „Aber das ist...", wollte Julienne widersprechen.
    „Zweifellos richtig“, kam ihr Beschir zuvor. „Das ist ein Naturgesetz, Julienne. Wenn ein Herrscher zwei Menschen seines höchsten Vertrauens besitzt, die beide an seiner Statt herrschen, und einer von ihnen ist eine Frau - dann wird binnen kurzem die Frau Allein-Herrscherin sein.“
    „Auch wenn Sie der andere wären? Meinen Sie wirklich?“ zweifelte Julienne.
    „ Iich schlafe nicht mit Mahmud“, sagte er störrisch.
    „Und ich werde immer nur Ihre Macht wollen.“ gelobte sie.
    „Damit würde ich als Ihr Stellvertreter wieder an sie gelangen.“
    „Ein Mißlingen des Experimentes ziehen Sie wohl überhaupt nicht in Betracht?“ fragte sie.
    „Doch! Wenn Sie sich in ihn verlieben. Er hat dieselbe Krankheit wie Sie: die Langeweile, und gefügige Frauen sind ihm langweilig. Er will anbeten, und die Frau, die ihn beherrschen möchte, muß sich dazu bequemen, Göttin zu sein - überlegen Sie sich das: immerzu nichts als Göttin. Unter dem tut er es nicht. Er muß leiden, wenn er lieben soll. Sie sprachen von Berührungen. Vergessen Sie auch die des Bambus mit der Haut nicht, sie macht aus Kaisern Untertanen. - Sehen Sie, das ist es, was ich Ihnen gern sagen wollte. Jetzt, da wir uns trennen müssen, freue ich mich, daß ich die Gelegenheit dazu fand.“
    Julienne sprang auf.
    „Trennen? Wir uns?“ Sie war aufrichtig empört. „Ich übernehme eine Mission, die ich mir ganz gewiß nicht selbst ausgesucht habe, und ich tue es. wenn nicht in Ihrem, so doch unleugbar im Interesse einer Sache, an der uns gemeinsam gelegen ist, und gerade diesen Augenblick suchen Sie sich aus, sich mir zu entziehen? Kam Ihnen gar nicht der Gedanke, daß Sie mir gerade jetzt mehr als je nötig sein könnten? Iich habe Ihre Persönlichkeit immer bewundert und tue es auch jetzt trotz der vielen Kleinigkeiten, über die ich mich, wie ich es immer schon sagte, so oft geärgert habe. Sie müssen zugeben, daß ich es Ihnen immer wieder sagte.“
    „Ich gebe es zu. Ich wüßte auch gar nicht, wie Sie es anstellen sollten, es nicht immer wieder zu sagen. Und das erinnert mich daran, von Ihnen auch gehört zu haben, daß Sie mich nie Wiedersehen wollten.“
    „ Iich begreife es nicht“, sagte sie überwältigt, „wie Menschen so gemein sein können. Aber vielleicht ist es Ihnen nicht gegeben“, fügte sie schnell hinzu, „etwas dagegen zu tun. Sie sind nun einmal ein Pedant. Ich habe es schon . .."
    „Stimmt! Sie haben es schon immer gesagt.“
    „Und nun, da - wenn ich Ihre Ratschläge befolgen will - alles mögliche bevorsteht, lassen Sie mich allein!“
    Doch mit diesem Vorwurf löste sie nur Vorstellungen in ihm aus, die ihn jäh aufbrausen ließen.
    „Ich wüßte nicht, wie es möglich wäre. Sie bei Ihren Zusammenkünften in Beschiktasch nicht allein zu lassen! Seine Majestät würden sich über meine Begleitung etwas verwundern.“
    „Beschir!“ versuchte sie, ihn zu beschwichtigen. „Ich weiß, mein armer Freund, Sie sind eifersüchtig. Ich hätte das nie für möglich gehalten. und es ist wunderschön, es zu wissen. Aber wenn es Sie unglücklich macht, lassen Sie es lieber. Wir wollen alles entfernen, was unser Zusammenleben trüben könnte. Berauben wir uns nicht selbst.“ Beschir benahm sich, wie ein Kislar, der Bewahrer

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