Der Eunuch
verstecken. In Ungarn nicht“, fügte der Prinz hinzu, „aber den Türken ist das Beutemachen erschwert, und darum sind bei ihnen die hübschen Mädchen im Preis gestiegen.“
„Großer Gott!“
„Das geht Ihnen doch nahe, was, Baron? Eine Tochter Ihres Bruders türkische Sklavin? Weswegen sind denn wohl alle ungarischen Schlösser veritable Festungen? Rebellenarmeen gibt es zwar nicht mehr, die Räuberbanden jedoch ergäben zusammen auch eine ganz hübsche Armee. - Übrigens ist sofort ein Kurier an unsern Residenten Talmann nach Konstantinopel abgegangen. Man wird Julienne suchen, wird sie finden und zurückkaufen. Das ist alles.“
Der Baron empfand etwas anderes wichtiger als das Fräulein.
„Aber dieses Abenteuer macht sie unmöglich!“ rief er. „Kein Mensch wird sie mehr empfangen! “
Davon allerdings war der Prinz nicht überzeugt.
„Man wird nichts erfahren“, sagte er, „und wenn doch jemand davon wissen sollte, wird dieser und sogar diese jemand es vergessen, wenn das Fräulein in die Gesellschaft des Belvedere aufgenommen ist. Mehr als diese Gesellschaft von Künstlern, Gelehrten und Mäcenen braucht die Baronesse nicht. In diesem Kreis gab es noch niemals einen Skandal.“
Herr von Andlaw erinnerte sich, daß ein gleiches von der Hofgesellschaft nicht zu sagen war und daß er dem Herrn von Belvedere, was nicht nur ein Schloß, sondern ein Begriff war, gegenübersaß. „Und ich glaube fast, daß auch der Hof ..." wollte Andlaw zustimmen, als ihn der Prinz unterbrach.
„Ich möchte es auch glauben“, meinte er. „Aber was nützt uns das alles, wenn wir das Mädel nicht haben!“
7
Zum ersten Male in der türkischen Geschichte nahmen die Truppen bei ihrer Revolte ausdrücklich auf die Ausländer Rücksicht, ein Beweis dafür, daß sie die Lehren von Zenta, Peterwardein und Belgrad sich gemerkt hatten und ihr Reich nicht mehr als eine Welt für sich und als das Schicksal aller andern Völker empfanden.
Eine Disziplin war das, über die selbst Beschir erstaunte und fast erschrak, besonders darüber, daß sie von dem gemeinen Mann ohne Zutun der Offiziere ausging; denn daran erkannte er, daß die Revolte nicht mehr rückgängig zu machen sei. Entfesseln könne er den Aufruhr, vielleicht auch bis zu einem gewissen Grade noch lenken; aber der Tag des Erfolgs würde zugleich der Beginn großer Schwierigkeiten sein. Als Anregung zu einer Umgestaltung sei die Bewegung nötig - als Zustand könne das Reich sie nicht ertragen.
Deswegen schwankte Beschir nicht einen Augenblick. Nur um so verbissener wurde sein Wille, die unumschränkte Macht zu ergreifen, in deren Besitz er abendländische Sklaverei von Völkern einer menschlicheren Gesinnung abzuwehren hoffte.
Jener Woge von Prüderie, die jüngst Konstantinopel heimgesucht hatte, waren auch die hölzernen Tschardake zum Opfer gefallen, die freilich meist gar nicht von Holz und im eigentlichen Sinne auch keine Tschardake, keine Weidetürme zur Überwachung der Herden waren. Auf den Dächern von Konstantinopel waren sie Ausgucks, wie in andern Hafenstädten auch. Von ihnen konnte man den aussegelnden Schiffen mit den Blicken das Geleit geben, die ansegelnden aber schon von weither erspähen und alles für ihre Ankunft vorbereiten. Aus Holz und darum feuergefährlich mußten sie wenigstens auf dem Papier zur Begründung ihres Verbotes sein. In Wirklichkeit hatten sie dem Muckertum weichen müssen und der ebenso neuen Erfindung des Teleskops.
Solche Fernrohre hatten ihren Preis, und so waren sie selten. Um so ausschweifender waren die Vorstellungen, die sich die Phantasie von deren Möglichkeiten machte. Daher hatten die allzeit anständigen und frommen Leute es als verdienstvoll empfunden, durch die Beseitigung der Tschardake die Hareme der Rechtgläubigen vor der Entweihung durch diese Teufelsfernrohre zu bewahren.
Aber es gab die Vergessenen. Vielleicht war der Grund auch, daß man die Wiener Gesandtschaft des Herrn von Talmann nicht hatte verkürzen wollen - jedenfalls: das Haus hatte einen Tschardak, so geräumig wie ein kleines Teehaus im Park, nicht nur ein Ausguck, mehr ein wünschenswerter Aufenthalt in schwülen Sommernächten. Nacht war es freilich nicht und nicht gerade still. Aus der aufgewühlten Stadt stieg ein Brausen herauf, über das sich die langgedehnten Laute der Ausrufer verklingend oder sich steigernd hinzogen.
„Im Namen Allahs des Allerbarmers! Friede den Ungläubigen, Friede den Fremden! Ihre Wohnungen seien ihr
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