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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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ausstehen können. So richtig reden kann man überhaupt nur mit den kleinen Mädchen, solange sie noch nicht dressiert sind. Haben sie die Ruten erst hinter sich , werden auch sie wahrscheinlich schrecklich fein sein. Am meisten ärgere ich mich aber über einen älteren hageren Herrn, der midi nach Ungarn zurückschaffen wollte. Nicht daß es mir eilt! Durchaus nicht. Aber daß er sich überhaupt nicht mehr hat blicken lassen . . . wie finden Sie das?“
    Mahmud fand das sehr ungehörig, und nach einigen Fragen glaubte er zu wissen, daß Juliennes hagerer Herr sein Kislar sei.
    „Machen Sie sich nichts daraus“, sagte er. „Ich hätte ihn auch gern gesprochen; aber glauben Sie, daß ich seiner habhaft werde?“ „Wahrscheinlich wollen Sie Geld von ihm“, kam es trocken von Julienne. „Da kann ich das verstehen.“
    Mahmud beteuerte, daß die Dame sich irre, und rückte dann mit einer Bedingung für den Druckereibesuch heraus. Er wolle sie selbst führen, sagte er, und darum bitte er sie, ihr Kommen vorher anzumelden. Unter allen Umständen vorher anmelden! „Werden Sie es nicht vergessen?“ fragte er noch.
    Bevor Julienne antworten konnte, war ein Eunuch der Walide mit der Meldung erschienen, daß Ihre kaiserliche Hoheit das Fräulein im grünen Audienzsaal erwarte.
    „Ich komme“, sagte Julienne und dann mit einer Wendung zu Mahmud, der sich in den schützenden Hintergrund zurückgezogen hatte: „Ich werde es nicht vergessen. Ich lasse Sie wissen, wann ich komme.“

12
    Viele Orte zwischen Osten und Westen hatte Konstantin geprüft, ehe er sich nach langem Wählen für das einst spartanische Byzanz als der Stätte des Neuen Rom entschieden hatte. Ebenso siebenhügelig wie das Alte war es, aber im Gegensatz zu dem am Tiber eine Stadt am Meer mit einem Hafen, der aus den süßen Wassern breit und tief in den thrakischen Bosporus floß, die Stadt der Städte: Konstantinopel.
    Das Garten- und Palastwunder des Neuen Serails lag, wo der Boden sich zum Meer und zum Goldenen Horn hinsenkte. Es bedeckte den Raum einer mittleren Stadt. Das berühmte bosporonische Skutari, dem Serail gegenüber auf der asiatischen Seite, übertraf das Neue Serail an Ausdehnung kaum. Vom Achor Kapussi, dem Stadttor, bis zum Top Kapu, der Serailspitze mit dem Sommerharem, reichte das Meerufer des Sultanpalastes, und vom Top Kapu bis zum Jak Köschk begrenzte das Goldene Horn die Gärten. Das Alte Serail war ebenfalls vom Eroberer erbaut worden, nur eher. Es lag mehr stadteinwärts und doch nicht abseits vom Meer, weil man von dieser gesegneten Stadt behaupten durfte, daß von jedem Punkt innerhalb ihrer alten Stadtmauern die Propontis und der Hafen zu sehen seien. Das Alte Serail krönte inmitten von Grün einen der sieben Hügel, eines der sieben Wahrzeichen, die das Neue Rom mit dem tiberischen gemeinsam hatte.
    Julienne war sehr überrascht, daß nicht nur der eine, sondern ein richtiges Gefolge von vier Eunuchen sie zu dem ihr bezeichneten Saal geleitete. Es war ein dreitüriger Raum. Die eine diente dem Eintritt vom Korridor aus, die beiden andern vermittelten den Weg von und zu den benachbarten Sälen. Vor Julienne öffnete sich die Korridortür als vor einer Hochgeehrten mit beiden Flügeln, und so betrat sie in strenger Ordnung mit ihrer Begleitung den Audienzsaal. Grün war die Farbe des Kalifenhauses, und ihr paßten sich auch die mit chinesischem Porzellan gekachelten Wände und die wenigen kostbaren Möbel an. Der Schleier war als unnötig für das Frauengespräch zurückgezogen und gab als zwei einengende Nebelstreifen zwischen den Säulen und Wänden dem Raum an den weitgeschweiften Fenstern einen Hauch von Intimität.
    Als die Tür sich hinter Julienne wieder schloß, war sie die einzige Frau im Raum. Das erklärte sich daraus, daß sie die Erhabene um eine Audienz unter vier Augen gebeten hatte, und so war sie es, die warten mußte. Eine Kaisermutter wartete nicht.
    Nur unter dem Einfluß der Aussicht, die sich ihr darbot, trat Julienne ohne bewußtes Wollen ans Fenster. Über die herrliche Suleimanije, vorbei an dem Grabmal, das den großen Soliman und Roxelane um-schloß, hinweg über das von Schiffen und Booten wimmelnde Goldene Horn, erblickte sie Galata, heute ein kleiner Stadtteil, früher der genuesische Hafen aus den letzten Tagen des byzantinischen Reiches, und dahinter, aus dem Grün der Kirchhöfe und Gärten emporsteigend, das Gesandtenviertel von Pera.
    Diese Stadt war schön, wo man ihrer auch ansichtig

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