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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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wissen, wie das gekommen ist. Aber anstatt dankbar zu sein, ein Dach überm Kopf und satt zu essen zu haben, beklagten Sie sich über Ihren Herrn ..."
    Davon hatte Mahmud gehört.
    „Wenn Sie wüßten, was der mir alles an Arbeit aufgepackt hat!“ flocht er schon etwas schüchterner ein.
    „Papperlapapp! Nichts als Faulheit. Nur aus Faulheit sind Sie zum Islam übergetreten. Und um so richtig faulenzen zu können, wollten Sie frei sein.“
    Das war ein etwas herbes Urteil. Aber Juliennes Ärger war auch nicht gering. Dabei hätte sie nicht einmal erklären können, warum sie sich eigentlich so geärgert hatte.
    „Ganz so faul war ich denn doch nicht“, warf Mahmud ein. „Glauben Sie, daß diese Bücher sich von selbst gedruckt haben?“
    Das glaubte Julienne freilich nidit, und so verlor der Umgang mit ihr etwas von seinen Schrecken. Sie nahm den zweiten Band, schlug ihn auf und war von dem Satzbild, das für sie nur aus krausen Linien bestand, dennoch stark gefesselt.
    „Eine unheimliche Arbeit muß das gewesen sein“, sagte sie.
    „Und dabei sind noch sechs Werke in Vorbereitung“, triumphierte Mahmud, als sei er wirklich der Urheber dieser Schätze. Eifrig zählte er sie auf: „Die Geschichte der Seekriege von Katib Tschelibisade Hadschi Chalfa, die Geschichte der persischen Dynastie Ssafi des polnischen Jesuiten Krusinski, die Geschichte Westindiens, die Geschichte Timur Gurgans und die Geschichte des Alten und Neuen Ägyptens. Ist das etwa nichts?“
    „Ich bewundere Sie.“
    Obwohl sie ihren Ärger eben noch heftig genug geäußert hatte, sagte sie es, und das mit einer Einfachheit, die Mahmud plötzlich zum Bewußtsein brachte, auf welchen Wegen er wandele. Er hatte alle Ehren geerbt, die auf einen Sterblichen nur zu häufen waren, nur die Ehren nicht, die einzig der Leistung zukamen. Und gerade nach ihnen hatte er eben gegriffen. Ganz verlegen war er.
    „O bitte, Dame, sagen Sie das nicht!“ beinahe bettelte er.
    „Warum nicht?“
    „Ich fürchte, Sie eines Tages enttäuschen zu müssen.“
    „Das fürchte ich gar nicht. Was ich hier vor mir sehe, ist in einem Jahr genau dasselbe wie jetzt, und in zehn Jahren und in Hunderten von Jahren - ich sehe nicht ein, wie mich das jemals enttäuschen sollte. Ich bewundere Sie, Drucker Ibrahim.“
    „Dame...", wollte er sie unterbrechen. Doch es blieb bei dem Versuch, weil er natürlich nicht durchdrang.
    „Ich möchte Ihre Druckerei sehen - wäre das möglich?“
    Bei dieser Frage verzichtete Mahmud auf seine fruchtlosen Versuche, sie von ihrer Bewunderung für ihn oder richtiger für den Drucker Ibrahim abzubringen. Ohne künftige Verwicklungen und etwaige Schwierigkeiten der Hanum zu berücksichtigen, wie es ihm als einem Tschelebi, einem Kavalier, geziemt hätte, überlegte er blitzschnell nur das Nächstliegende, und da ersah er, daß er dem Begehren der Dame mit einiger Nachhilfe wohl willfahren könne. Daß zu dieser Erkenntnis auch der Wunsch ein wenig beigetragen hatte, das völlig unmögliche Mädchen abseits von allen Späherblicken des Serails wiederzusehen, verhehlte er sich nach Art der Leute in seinem Zustand. Meist wird ja den Männern bereits im Lebensalter des Fohlens von einem weiblichen Wesen das Seil umgeworfen. Das ist das Einfachste und Ungefährlichste. In schwierigen Fällen versuchen Männer ihrem fast unabwendbaren Schicksal noch im Alter einjähriger Pferde oder gar noch länger zu entgehen. Schlimm daran aber sind die armen, erfahrungslosen Wesen, die in ihrer Reife das Seil zum erstenmal spüren. Alles, was sie sich von Unabhängigkeit und Freiheit und an wundervollen Vorsätzen ausgedacht haben, bricht ihnen dann zusammen, und nichts bleibt als das Seil, woran sie sich dann noch halten können. Meist wissen sie dabei nicht einmal, wie es um sie steht. Mahmud ahnte es nicht.
    „Warum nicht“, sagte er mit einem gewinnenden Lächeln, das besser von seinem Gesicht weggeblieben wäre.
    „Ich freue mich, ich freue mich wirklich“, erklärte sie voll Eifer. „Sie müssen nicht glauben, daß ich nur aus Langerweile die Druckerei sehen möchte. Obwohl... Ach, wissen Sie, Ibrahim, ich bin ein undankbares Geschöpf! Die Walide ist eine so wunderbare Dame, wie ich nie eine sein werde - gegen sie ist die Batthany - seien Sie froh, daß Sie die Ziege nicht kennen - ein - eine ... aber das gehört nicht hierher. Die Walide, wollte ich sagen, ist reizend zu mir. Nur daß die
    Leute hier alle so fein sind! Das habe ich nie

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