Der Eunuch
weiß ich von ihr selbst. Aber was haben Sie da für Bücher?“
Der Padischah bückte sich bereits so beflissen, als gehöre es sich , jedem Begehren dieser fragwürdigen Erscheinung nachzukommen. Die Bücher waren Lughatti Wankulis Arabisches Wörterbuch, der erste Band von sechshundertsechsundsechzig Seiten. Mahmud verfehlte nidit, zu berichten, daß er von den beiden Ausgaben die auf dem besseren Papier gekauft habe.
„Ich muß schreiben lernen“, war alles, was Julienne erwiderte.
„Sie können nicht schreiben,Dame?“ Mahmud war ehrlich erstaunt. „Nun ja, was da so bei uns vorkommt, kann ich schreiben. Französisch, deutsch, italienisch oder ungarisch... was dachten Sie sich? Glauben Sie, ich sei wild aufgewachsen? Eure orientalischen Schriftzeichen muß ich lernen. Wundervoll, wie sie so dastehen. Mit solchen Büchern muß man eine fremde Sprache wie das Arabische doch viel leichter erlernen. - Nun grinsen Sie wieder und denken, daß mein Türkisch auch nicht gerade der Gipfel sei. Das ist mir hier erst aufgefallen, und darum spreche ich es. Bleiben Sie mir mit Ihrem Ungarisch vom Leibe! Das brauche ich nicht erst zu lernen.“
Da Mahmud kein Wort dieser Sprache kannte, gehorchte er sehr gern und blieb ihr mit seinem ,Ungarisch“ vom Leibe.
„Hören Sie, Ibrahim, wer sind Sie in Wirklichkeit?“ fuhr sie fort. „Ich meine, wer waren Sie in Ungarn?“
Nicht ungeschickt entzog sich Mahmud dieser Schlinge.
„Es war bei Allah von Anfang an beschlossen, daß ich Ibrahim sein solle, und so war ich es von Anfang an.“
„Allah gibt gute Ausreden, wie ich höre“, lobte Julienne. „Daran erkenne ich, daß eure Religion gut sein muß. Und Sie haben obendrein Theologie studiert, zwar christliche, aber das will nichts besagen. Jede Theologie ist eine Wissenschaft von den guten Ausreden. Mich wundert nur, daß Sie trotzdem im Examen durchgefallen sind.“
Mahmud beschwor, daß er nicht im Examen durchgefallen sei.
„Nun ja“, meinte Julienne gnädig, „das habsburgische Ungarn ist für Protestanten kein Paradies, und da gibt es manche, die wegen einer Lappalie davongejagt wurden. Iich weiß von Geistlichen, die, als seien sie Bauern, die ihren Zins nicht zahlen konnten, in den Bakony-Wald gegangen und Banditen geworden sind.“
Mahmud glaubte, sich den Nimbus eines Banditen nicht entgehen lassen zu dürfen, zumal diese Sünde ja auch nicht auf sein Konto, sondern auf das des Druckers Ibrahim komme.
„Ich war auch einer“, sagte er düster und merkte gar nicht, wie er sich durch solche Lügen in das Mädchen verstrickte, das seiner kaiserlichen Beachtung so wenig würdig zu sein schien. Seinem Chodscha, seinem Lehrer und geistlichen Berater, der ihm wie jedem Padischah zur Seite stand, würde er das wahrscheinlich gar nicht erzählen können. „Und Sie?“ fuhr er fort. „Wo kommen Sie her, und was sind Sie eigentlich?“
„So fragt man Dumme“, sagte sie. „Ich bin eine Hanum des Harems der erhabenen Walide - sollten Sie das nicht gemerkt haben?“ Mahmud fand diese Auskunft wenig aufschlußreich, und Christin sei sie wohl auch? Und außerdem sei sie durch die Unterhaltung bei der Walide über des Druckers Vergangenheit, die er, Mahmud, nun zu vertreten habe, weit besser unterrichtet als er selbst. Auch das noch!
„Ich sehe schon“, sagte er dennoch ganz unüberlegt, „Sie sind eine Ungläubige. Sie sind nicht die erste im Serail und werden nicht die letzte sein. Die Geschichte des Hauses Osman ist eine Geschichte der Sündenfälle.“
Julienne sperrte es fast den Mund.
„Was?!“ empörte sie sich. „Einen Sündenfall nennen Sie midi?!“ „So drückte ich mich aus - bitte sehr: nach den Worten des Propheten, daß es besser sei, eine gläubige Sklavin zu ehelichen als eine ungläubige Freie; nun sind Sie gar keine Freie, sondern eine Sklavin, eine ungläubige Sklavin, also ein Wesen, das ein frommer Moslim nie und nimmer ohne schwerste Sündenschuld heiraten könnte.“ Damit glaubte Mahmud den Fall abgetan - worin er sich jedoch irrte.
„Was geht midi Ihre alberne Heiraterei an?! Wissen Sie, was Sie sind? Ein ganz Unverschämter sind Sie! Sie heirate ich gewiß nidit, Sie . . . Sie“, endlich fand sie das Wort: „Sie verkrachter Pfarrbandit. Was wollen Sie überhaupt hier? Sie gehören in den Bakony-Wald, um dort den Leuten die Gurgeln abzuschneiden. Aber selbst dabei haben Sie es nicht ausgehalten! Hinterher waren Sie Sklave bei einem Türken. Sie werden selbst am besten
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