Der Eunuch
Euer Gnaden mit mir zu reden bereit sind.“
„Sie haben mich überzeugt, und ich bin bereit.“
„Nachdem Euer Gnaden wider Dero eigenen Willen zum größten Bedauern der Pforte auf türkisches Gebiet verschleppt wurden, ist die Türkei sich ihrer Pflichten der Gastfreundschaft bewußt und gewillt, sie auf das sorgfältigste zu erfüllen.“
„Dann sind Sie also die Türkei?“ spöttelte sie.
„Für Sie und in diesem Augenblick bin ich es allerdings - und so möchte ich mir die Frage erlauben, ob Euer Gnaden sich über irgend etwas zu beklagen haben?“
„ Iich merke schon, nun möchten Sie wieder dem blöden Dewlett Bey an den Kragen ...“
„Ich weiß von keinem blöden Dewlett Bey . .."
„Was?!“ Julienne empörte sich ehrlich. „Lang und breit haben wir, soweit die Zeit es zuließ, im Prinzessinnenpalast davon gesprochen. Und benommen haben Sie sich! Prüde wie eine alte Jungfer!“ Beschir unterdrückte ein Lächeln.
„Das mag wohl sein“, erklärte er ihr, „aber was die Gnädige irgendwo einmal mit einem Unbekannten sprachen - davon hat ein Diener der Walide nidits gehört.“
Julienne verstand sofort.
„Ach, so ist das bei euch?“ stellte sie mehr fest, als daß sie es fragte. „Aber könnte man darauf nicht verzichten? Was verstehen Sie unter ,offen reden'? Ich möchte es Ihnen nämlich vorschlagen.“
Nicht übel! und in diesem Augenblick sei sie stärker als er, dachte Beschir, dessen Grundsatz es war, weder Partner noch Gegner zu unterschätzen. Vorläufig sei das Mädchen weder das eine noch das andere. Doch wenn er nicht nur seine Aufgabe korrekt erledigen, sondern nebenbei auch noch etwas über diese nicht ganz einfache junge Dame erfahren wolle - dann müsse er den Ton ändern. Mit der vollendeten Beherrschung aller höfischen Formen mache er auf sie jedenfalls keinen Eindruck.
„Sie haben recht, und ich hoffe immer noch, daß wir zu dieser Offenheit kommen“, sagte er. „Aber Sie scheinen den Eunuchen als Hindernis zu empfinden. Warum eigentlich? Die Herren in Wien können sich darunter nicht viel vorstellen. Das wenigstens weiß ich. Aber Sie?“
„Ich kann mir unter einem Eunuchen auch nichts vorstellen. Höchstens..."
„Etwas Komisches? .. . Aus Ihrem reizenden Zunicken zu schließen, habe ich es erraten. Das hat etwas sehr Beruhigendes für mich. Sie glauben gar nicht, wie sicher man sich fühlt, wenn man nicht ernst genommen wird.“
„Ich dagegen fühle mich durchaus nicht sicher“, erklärte Julienne mißmutig, „weit weniger als vorher.“
„Daraus ergibt sich, daß nur der Eunuch der gegenseitigen Offenheit im Wege steht. Lassen wir ihn doch beiseite! Wie wäre es, wenn ich Ihnen meinen Namen nennen würde?“
„Ausgezeichnet“, begeisterte sie sich. „Weg mit der Baronesse! Ich heiße Julienne, und mehr als Julienne bin ich auch nicht. Bilden Sie sich das nur nicht ein.“
„Und ich heiße Beschir. Das ist das, was ich wirklich bin und bis zu meinem Ende sein werde. Aber Beschir oder Julienne - kein Mensch ist nur das, was er selbst ist, sondern noch manches andere. Sie, Julienne, so sehr Sie für mich auch Julienne sein mögen, sind für das Osmanische Reich die Nichte des Prinzen.“
„Nichts weiter?“
„Für das Osmanische Reich ist das sehr viel.“
„Für Wien ist das sehr wenig.“ „Warum?“
„Weil von mir nie die Rede sein durfte.“
„Es sieht so aus“, sagte Beschir, ohne zu verraten, daß er weit mehr darüber wußte. „Kennen Sie Herrn von Talmann?“
„Außer den paar Leuten in Ungarn ..."
„Bitte, Julienne, erzählen Sie mir jetzt nichts von der Gräfin Batthany.“ „Was?! Von der wissen Sie auch schon?! — Und warum soll ich nicht?“
„Ich fürchte“, meinte Beschir mit einem ironischen Lächeln, „daß unser Gespräch sich sonst sehr lange hinziehen würde.“
Was Beschir jedoch nicht für möglich gehalten hätte, geschah jetzt. Julienne wurde rot. Ganz sichtlich errötete sie vor Beschirs sehenden Augen. Beschir war klug genug, darüber sein Lächeln zu verlieren. „Ich wollte Sie nicht verletzen, Julienne.“
„Natürlich halten Sie mich für eine Gans, Beschir, und ganz gewiß habe ich mich albern benommen. Mehr als einmal. Aber wenn Sie auf die Fortsetzung unseres Gespräches Wert legen, dann müssen Sie sich meine Geschichte mit der Batthany anhören. Schon wegen Ihres abscheulichen Grinsens müssen Sie das.“
Voller Genugtuung bemerkte Beschir des Mädchens Erregung. Das sei mehr, als er
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