Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
Vom Netzwerk:
aus der Fülle zu leben gewohnt, hatte er mit seinem Salon, den ihm seine hohen Einkommen gestattet hatten, jeden andern in seiner jeweiligen Residenz ausgestochen. Für eine Natur wie Bonneval war das auf die Dauer ein schwer erträglicher Zustand gewesen. Also Krach mit Eugen, der versichert hatte, daß er Wien durch das andere Tor verlassen würde, wenn Bonneval durch das eine wieder einzöge. Und dann das fast Unglaubliche: Karl VI. hatte tatsächlich gezaudert, welchen der beiden früheren Freunde er habe ziehen lassen sollen. Die Mühe war ganz vergeblich gewesen. Bonneval hatte seinen Streit mit dem Statthalter der österreichischen Niederlande, deren Militärkommandant er gewesen war, prompt so sehr auf die Spitze getrieben, daß auch nicht die kleinste Beleidigung, die er irgendwo gegen irgendwen hatte anbringen können, vergessen worden war. Es war nichts anderes übriggeblieben, als ihn aller seiner Würden und Ämter zu entsetzen, worauf er zum zweitenmal in Venedig, diesem Asyl aller Emigranten, gelandet war. Dorthin halte er sich schon einmal nach seiner Entlassung aus dem Dienst des Königs von Frankreich zurückgezogen.
    Nur hatte für Bonneval sich etwas entscheidend geändert: Das erstemal war er eine kleine Berühmtheit, ein kleiner Oberst mit, wie alle Welt vermutet hatte, großer Zukunft, das zweitemal eine unangezweifelte europäische Berühmtheit gewesen, und gerade das hatte seine Lage so mißlich gestaltet. Bei den vielen Kriegen, die immer wieder neu ausbrachen, waren fähige Generalsoffiziere gefragt - fähige! guter Durchschnitt und etwas mehr. Bonneval war solchen Leuten weit überlegen, was ihn verführt hatte, Österreich die Stirn zu bieten. Im Grunde war das eher ein Spiel gewesen, wie ein Stiergefecht etwa — nichts hatte ihn gezwungen. Aber es war geschehen, und nun saß sein Schiff auf dem Sand. Wie konnte es wieder Wasser unter seinen Kiel bekommen?
    Seiner großen Talente hätte man sich gern bedient; aber der Preis wäre unter manchem andern der gewesen, daß Österreich sein Engagement als unfreundlichen Akt angesehen hätte. Die Gegenkonstellation aber beherrschte Frankreich, aus dessen Armee Bonneval desertiert war.
    Nach dem Frieden von Rastatt war Bonneval freilich amnestiert worden, nicht ganz zu Unrecht, weil er sich um das Zustandekommen des Friedens verdient gemacht hatte. Er war auch nach Frankreich zurückgekehrt, der kaiserliche Herr Generalfeldzeugmeister, und in Paris als Sensation gefeiert worden, hatte sich mit einem Fräulein aus dem vornehmen Hause der Herzöge von Biron verheiraten lassen und war wieder gegangen, ohne sich um Frankreich und die schwärmerische Liebe seiner jungen Frau groß zu kümmern. Aufgenommen hätte ihn sein Vaterland, nur hätte es ihn nicht beschäftigt. Ohne sich rächen zu können, wäre er aber an seinem Haß gegen Österreich erstickt. Also Venedig, wo er nicht weniger gefeiert worden war als in Paris - gefeiert als Kavalier, als glänzender Gesellschafter, nicht jedoch als Feldherr und als der Staatsmann, der er war. Es war nicht so sehr der Umstand gewesen, daß ihm, der nicht gerade haushälterisch gelebt hatte, allmählich die Mittel zu Ende gegangen waren, sondern die Langeweile, die ihn umzubringen gedroht hatte, daß er eines schönen Sommertages mit seiner kleinen Gesellschaft in Venedig ein leichtes Fahrzeug mit dem Ziel Ragusa bestiegen und sich von dort weiter ins Osmanische Reich verzogen hatte. Es war eine Argonautenfahrt mit kaum vorhandenen Glückschancen gewesen. Bonneval hatte es bald gemerkt und spürte es noch immer Tag für Tag. Die Türkei war von Österreich geschlagen worden und vermied alles, was in Wien hätte verstimmen können. Bonneval aber schwebte so etwas wie ein Bündnis mit dem Sultan vor, um von türkischem Gebiet aus mit unzufriedenen Untertanen des Kaisers einen neuen Aufstand vorzubereiten. Diese Gedankengänge bewiesen aber nur, wie sehr sich selbst ein kluger und weitläufiger Abendländer über die ihm fremde Welt des Islams täuschen konnte, und zwar im Sinne einer Überschätzung, wie auch einer Unterschätzung seiner eigenen Person.
    Wenn Bonneval an Venedig dachte, an dieses byzantinische Gebilde zwischen Morgen und Abend, bedrängten ihn Bilder gesellschaftlicher Triumphe auf Maskenfesten, in den Logen der Opernhäuser und bei geistbeschwingten Gesprächen - Bilder von Gondelfahrten zu heiterlauten Gelagen mit Musik und Feuerwerk oder zu andern in einem der vielen stadtentrückten,

Weitere Kostenlose Bücher