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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Gefolge.
    Aus etwa zehn Menschen bestand es, aus Dienern, die ihn nicht hatten verlassen wollen - denn er flößte ebensowohl leidenschaftliche Ergebenheit wie gnadenlosen Haß ein -, wie auch aus einigen kleinen Abenteurern, die ihr Glück bei ihm, dem großen, zu machen hofften. Einer von ihnen nannte sich Ingenieur; er hatte eine neue Sprengbombe erfunden, für die er irgendeine Regierung als Abnehmerin suchte und jetzt die türkische zu gewinnen hoffte. Für alle diese Leute hatte der Kavalier aufzukommen, und das war mit einem Tagegeld von zehn Piastern, das die Pforte ihm zu seinem Unterhalt ausgesetzt hatte, nicht ganz leicht.
    Eben setzte ihm sein Kammerdiener Lamira, der in Europa bei allen Leuten von Stand oder wenigstens Berühmtheit fast ebenso bekannt war wie sein Herr, das auseinander. Lamira glaubte an seinen Herrn, und der an sich; aber von beiden war Lamira der Zuversichtlichere. Alle andern Menschen waren überzeugt, daß der Graf von Bonneval sich in eine Lage manövriert habe, die seinen endgültigen Untergang bedeute. Freilich waren zehn Piaster ein Geld, von dem eine mit ebenso vielen Köpfen gesegnete Bauernfamilie nicht einen Tag, sondern ein ganzes Jahr leben konnte. Aber der Graf war eben kein bosnischer Bauer, und seine Diener und Gefährten waren es auch nicht.
    Sie waren das Gefolge eines Herrn, der sich gern seiner Verwandtschaft mit den Bourbonen rühmte, und es darum recht oft tat. Trotzdem war er wirklich mit ihnen verwandt. Ein Hochstapler war er durchaus nicht. Die Bonnevals waren ein altes Geschlecht aus dem Limousin, dessen Oberhaupt das Marquisat besaß. Im Laufe der
    Zeiten hatte es keinen Mangel an Männern gehabt, die in hohen Stellungen des Staates, der Kirche und des Heeres gewesen waren. Sie warteten nicht, daß man sich für sie regte, sie regten sich selbst. Alexander von Bonneval, der Bemerkenswerteste von allen, war mit dreizehn Jahren schon ein junger Mann gewesen. Damals hatte er sein Haar gegen die Zeitmode kurz und rund schneiden lassen, was seinem Gesicht mit den Zügen der Offenheit und Entschlossenheit einen betont soldatischen Ausdruck verliehen hatte, und davon ging er bis in sein Alter nicht ab. Als Freiwilliger war er in die Marinegarden eingetreten, und seine erste Beförderung im gleichen Jahr hatte bereits das angedeutet, was in ihm steckte. Vom Marineminister war bei einer Inspektion mit Hinblick auf Bonneval ungnädig getadelt worden, daß man neuerdings offenbar bereits Kinder einstelle. Unter Verletzung jeglicher Disziplin hatte der junge Herr sich scharf und laut entrüstet: „Man entläßt keinen Bonneval, mein Herr!“ Wider Erwarten war der hohe Beamte durch diese Frechheit umgestimmt worden. „Doch“, war dessen Antwort gewesen, „der König entläßt den Rekruten und stellt ihn als Schiffsfähnrich wieder ein.“ Infolge eines Duells, mit dem der Junge von einem Schiffsfähnrich unmöglich länger hatte warten können, war es mit der Marine dann doch aus gewesen und er zu den französischen Garden gekommen, ohne daß sich sein militärischer Aufstieg deswegen verzögert hätte. Im spanischen Erbfolgekrieg hatte er als Sechsundzwanzigjähriger ein Regiment kommandiert. Bei seinen französischen Landsleuten sowohl wie bei den Österreichern, deren Oberbefehlshaber der Prinz von Savoyen gewesen war, hatte er bereits als kleine Berühmtheit gegolten, als seiner Laufbahn durch einen soliden Krach mit dem Minister Chamillard - wie es geschienen hatte - ein Ende gemacht worden war. Soweit es sich um Frankreich gehandelt hatte, war das auch der Fall gewesen; aber der unverwüstliche Bonneval hatte sich gefragt, ob Prinz Eugen von Savoyen nicht ebenfalls Franzose sei? -Mit einer Rangerhöhung zum General war der Oberst Graf Bonneval nach dem Beispiel des Prinzen Eugen und anderer in österreichische Dienste getreten und hatte die Erwartungen, die man hegte, nicht enttäuscht. Bald war er Generalfeldzeugmeister gewesen. Zu mehreren
    Siegen, besonders zu Eugens Sieg bei Peterwardein, hatte er entscheidend beigetragen. Was sich ein Mensch seines Standes nur hätte wünschen können, war ihm zuteil geworden. Seine Beförderungen hatten mit seinen Erfolgen Schritt gehalten. Frauen, aber auch Männer waren ihm zugeflogen - er war der Liebling des Kaisers und - was mehr war - des Prinzen Eugen gewesen, in dessen Kreis geistvoller Menschen er zu den geistvollsten gehört hatte. Mit großen Künstlern und Gelehrten nicht weniger als mit Fürsten befreundet und

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