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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Bestechungen wurde gesprochen. Den Bestochenen würden sie zur Schande gereichen, sagte man, und am Jüngsten Tage hätten die Schuldigen es zu bereuen. Leider fügte man auch hinzu, daß sie, die das Geld hergeben sollten, so lange nicht warten könnten.“
    „Und eine Auslieferung?“
    „Die sei sehr wohl möglich, meinten die Herren des Defterdars; aber eine etwaige Auslieferung an die Deutschen sei kein Hindernis für einen Vorschuß. Den müßten, bevor an den Vollzug eines Auslieferungsbefehls nur zu denken sei, erst einmal die Österreicher bezahlen. — Ich konnte dieser Versicherung keinen Trost abgewinnen“, schloß Lamira.
    „Mir gibt diese Versicherung zu bedenken“, meinte Bonneval, „daß wir Vorbereitungen treffen sollten, um uns, wie es Karl XII. von Schweden im türkischen Bender tat, gegen eine Belagerung unseres Hauses verteidigen zu können.“
    „Mit leerem Magen läßt sich schlecht etwas verteidigen“, war Lamiras kühle Antwort.
    „Bis jetzt haben wir noch immer unser Essen gehabt“, meinte Bonneval. „Auch heute haben wir es. Wer gab Ihnen Kredit?“
    „Niemand. Aber hoffentlich erinnern sich Herr Graf noch jener wohlhabenden Witwe eines Rajahs, der Herr Graf, wie ich vermute, seine Beachtung zu schenken geruhten. Es wäre mißlich, wenn es anders wäre. Herr Graf wissen ja: auf der Straße und im Basar tragen auch die Christenfrauen Schleier, und glücklicherweise war es der Basar, in dem ich sie erkannte. Im Basar ist es leichter, sich bemerkbar zu machen. Jedenfalls trafen wir uns bei dem Hebräer, dem Herr Graf schon zuweilen Ihre Gunst schenkten, und dort verabredeten wir -doch nein, natürlich nicht wir uns, sondern ich verabredete den Herrn Grafen mit der Witwe für übermorgen. Morgen ist Sonntag, und an einem Sonntag sündige sie nicht. Davon war sie nicht abzubringen, weil sie nun einmal eine so fromme Frau ist. So befahl ich denn beim Hebräer das Bad für Montag - mit dem Parfüm, das Herr Graf so lieben. Kein Grund zur Beunruhigung. Die Dame zahlt alles. Sie war es auch, die uns den Hammel schenkte.“
    Besonders glücklich schien Bonneval nicht zu sein, daß er auf diese Weise für die Ernährung seiner Leute aufkommen sollte.
    „Es muß etwas geschehen“, sagte er.
    Lamira verstand sofort, daß mit diesem etwaigen Geschehen nicht das des Montags gemeint sei. Auch in der Sache selbst gab er seinem Herrn recht. Nur die Frage, was zu geschehen habe; machte ihm Kummer. „Ein dritter Brief an Herrn von Villeneuve“, ließ er mit wenig Vertrauen und um so mehr Zweifel verlauten. Aber eine Heirat mit der Witwe komme erstens überhaupt nicht in Frage, und dann wäre sie auch nur wie ein Tropfen auf heißem Stein, und schließlich habe sein Graf ja auch schon seine Gräfin. Freilich in Frankreich; aber immerhin . .. alles Mögliche und Unmögliche gab Lamira solange zu erwägen, bis er an seines Herrn Drohung in dessen letztem Brief an Villeneuve dachte. „Um so etwas erfolgreich zu tun, müßten Herr Graf ja wirklich Moslem werden“, stieß er hervor, „dann hätten Sie noch drei weitere Ehemöglichkeiten. Bedenken der Herr Graf!“
    Das Schlimmste an Bonnevals Lage war es, daß er von allem, was außerhalb Serajewos und dessen nächster Umgebung vor sich ging, völlig abgeschlossen war. Nachrichten aus Konstantinopel brauchten Wochen und oft auch länger, bis sie in die abgelegenen Provinzen durchsickerten. Von dem, was zum Pascha an Neuigkeiten gelangte, erfuhr das Volk grundsätzlich nichts. Unter diesen Umständen war es für Bonneval unmöglich, seine eigene Lage zu beurteilen. Er kannte keine ihrer Voraussetzungen, nichts von den jüngsten Vorgängen in der Hauptstadt, geschweige denn die letzten Weltereignisse. Es war gefährlich für ihn, sich schriftlich zu äußern, weil seine eigenen Briefe ihn immer weitertrieben, bis zuletzt etwas eintrat, was er gar nicht gewollt hatte. So war es gewesen, als er von der Armee seines Königs zu der des Kaisers übergegangen war, und so in seinem Streit mit dem Marquis Prie, Eugens Stellvertreter in den österreichischen Niederlanden. Jetzt saß er obendrein wie in einem finsteren Zimmer. Nichts wußte er, als daß seine Person gefährdet sei, was sie auch wirklich war. Als toter Mann aber hätte er vergeblich gehaßt. Bis jetzt war nichts getan, kein Aufstand organisiert, um den Deutschen die ersiegten neuen Provinzen wieder abzunehmen oder, mehr bonnevalmäßig ausgedrückt, an der Spitze türkischer Bataillone dem

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