Der Eunuch
Prinzen Eugen eins hinter die Ohren zu geben. An seinem Haß richtete Bonneval sich wieder auf. Seines Hasses wegen mußte er leben.
„Sie kennen doch Abdullah Efendi, Lamira? - nun doch, den jungen Herrn aus der Kanzlei der Pachten . . . aber den Neffen des Paschas werden Sie doch kennen?“
„Ach, den meinen Herr Graf!“
„Ihnen kann ich es ja sagen, Lamira, er war es, der meinen zweiten Brief an Villeneuve mit nach Konstantinopel nahm. Nicht gerade ungefährlich für ihn, also ein großer Dienst, aber nach seiner Rückkehr habe ich ihn nicht mehr gesehen. Es muß ihm wohl jeder Verkehr mit mir verboten worden sein. Aufsuchen möchte ich ihn nicht, ich darf ihn nicht kompromittieren. Aber was ich nicht kann, dürfen Sie.“
„Ich kenne seinen Koch“, erklärte Lamira, womit er alles gesagt hatte.
„Ausgezeichnet!“ fand auch Bonneval. „Fragen Sie also den Efendi -und er möge es Ihnen in lateinischen Buchstaben aufschreiben - nämlich die religiöse Formel, die ich bei einem Übertritt zum Islam auszusprechen hätte.“
„Herr Graf haben sich wirklich entschlossen?“
„Was soll ich machen, mein Lieber? Solange ich lebe, ist nichts verloren.“
„Gewiß nicht.“
„Betrachten Sie es also von dieser Seite, Lamira. Eine Auslieferung an die Deutschen käme nach meinem Übertritt nicht mehr in Frage.
Das beseitigt die Hauptgefahr. Nicht einmal mehr bestechen lassen würde sich ein türkischer Beamter zum Schaden eines Rechtgläubigen und eines Gastes seines Padischahs. Außerdem wäre es nicht mehr so leicht, mich auszuheben, oder glauben Sie nicht auch, daß ich mit verstärktem Schutze seitens des Paschas rechnen könnte? Und mit Geld rechnen könnte? Mit dem mehrfachen oder vielfachen meiner jetzigen Tagegelder?“
„Herr Graf sind viel zu berühmt, als daß die Türken sich des Herrn Grafen Bekehrung nicht etwas kosten ließen. Aber . . .“
„Es würde nach meinem Übertritt schwierig sein, die Türkei wieder zu verlassen. Das meinen Sie doch?“
„Und ebenso wäre der Übertritt keine Gewähr für den Herrn Grafen, nun auch nach Konstantinopel zu kommen.“
„Das sind spätere Sorgen. Übrigens kennen mich die Janitscharen. Bei Peterwardein habe ich Brust an Brust mit ihnen gekämpft, bis mir trotz ihrer riesigen Übermacht der Durchbruch gelang. Diese Männer werden mich nicht vergessen haben.“
„Gewiß nicht. Und darum vielleicht eines Tages des Herrn Grafen Kopf verlangen.“
„Das hätten sie schon eher gekonnt. Aber sehen Sie, Lamira, Sie waren nie Soldat, und daher verstehen Sie das nicht: Eher als meinen Kopf werden die Janitscharen mich zu ihrem Aga verlangen.“
„Herr Graf sind also entschlossen?“
„Fast. Es bleibt mir nichts anderes übrig. Und was getan werden muß, will ich schnell tun.“
„Und ich will meinen Freund, den Koch, aufsuchen. Vielleicht hat er etwas Anständiges auf dem Herd. Er ist wirklich ein ausgezeichneter Koch, und ich wünschte in des Herrn Grafen Interesse, der Efendi wäre die Witwe und die Witwe der Efendi. Aber ich könnte es auch begreifen, wenn dem Herrn Grafen angesichts des schweren Entschlusses ... der Kopf überhaupt nicht mehr nach der Witwe stände?“ Es fehlte nicht viel, und Bonneval wäre ungehalten geworden.
„Im Gegenteil!“ versicherte er. „Meine Beschäftigung mit der Religion verlangt geradezu einen sehr irdischen Ausgleich.“
„Die Witwe ist aber ebenfalls fromm . .. wenigsten sonntags .. .“ „Um so ausgeruhter ist sie dann montags . . . sehr ausgeruht, Lamira kann ich Ihnen verraten -, erschreckend ausgeruht. Das Leben ist nicht immer ganz leicht, Lamira . . . Aber Spaß macht es doch!“
Es wurde anfangs bezweifelt, ob Bonneval bei seinem Übertritt der Zirkumzision, der heiligen Beschneidung, auch wirklich teilhaftig geworden sei. Nicht bezweifelt werden konnte es jedoch, daß Bonneval das Glaubensbekenntnis fehlerfrei und fließend hergesagt, daß der erste Imam der Hauptmoschee ihn daraufhin in den Islam aufgenommen hatte und daß der alte Sünder, nämlich Bonneval, anschließend einige Zeit unsichtbar gewesen war. Erst im Bade bei der Moschee der Chasseki kam es an den Tag: Bonneval war tatsächlich beschnitten worden. Aber Bonneval wäre nicht Bonneval gewesen, hätte er die geistliche Operation nicht mit einer weltlichen verquickt. Durch einen Arzt hatte er sich in das freigelegte Rund Goldplättchen pflanzen lassen, die - inzwischen mit den Narben verwachsen - ihren Zweck zu erfüllen
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