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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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versprachen. Begreiflicherweise brachte dies letzte Unternehmen dem interessanten Neugläubigen größeren Ruhm bei den Frauen ein als die Schlacht bei Peterwardein. Der Arzt aber zog aus dem Ruhm noch Gewinn. Er hatte bald eine große Modepraxis, weil die Damen, denen das Original nicht zugängig war, wenigstens eine Kopie haben wollten.
    Audi Bonnevals Äußeres mußte sich grundsätzliche Neuerungen gefallen lassen. Es gab genug junge Türken, die im Ausland, besonders in Italien, studiert hatten und nach ihrer Rückkehr sich nur einen Fes auf die Allongeperücke stülpten. Diese Leute waren mit ihrer Neugier und Anmaßung, zuweilen auch Aufdringlichkeit nicht immer eine angenehme Gesellschaft. Bonneval wußte, was er tat, als er den auf Taille gearbeiteten Rock mit der langen Weste und den mächtigen Ärmelaufschlägen ablegte und auf Kniehosen und Schnallenschuhe ebenso wie auf Federhut und Degen verzichtete. Er tat es zugunsten des reich bestickten, fließenden Gewandes eines vornehmen Türken und dessen kostbarer Pelzrobe. Für ihn kam kein leichtfertiger Fes in Frage. Seufzend nahm er die Last eines vierpfündigen, weit ausladenden Turbans auf sich. Diese Konzessionen machte er dem Tür-
    ken Ahmed, der er jetzt war. Was die Religion anlangte, so hatte er schon als Christ von der Kirche einen zu bescheidenen Gebrauch gemacht, um jetzt als Moslim die Moschee nicht in gleicher Weise zu schonen.
    Aber nach dem Gesetz war er ein Moslim. Darauf allein kam es an. Allerdings gab es bei aller türkischen Toleranz für Abkömmlinge von Moslemin oder für Bekehrte keinen Rücktritt vom Islam. Auf Abfall stand Tod. Das freilich bereitete Bonneval keine Beschwerden. Etwas anderes bedrückte ihn. Zwar genoß er alle Vorteile, die er sich von seinem Übertritt versprochen hatte. Er war ein angesehener kaiserlicher Pensionär, der auf jedes Entgegenkommen der Behörden rechnen konnte, nur darauf nicht, daß sie ihn ohne ausdrückliche Berufung nach Konstantinopel reisen ließen. Und diese Berufung hatte er nicht.
    Unter solchen Umständen wurde Bonneval, der sich nun einmal betätigen mußte, ein eifriger Briefschreiber. Er schrieb nach Wien, Paris, Madrid, Venedig, nach Dresden schrieb er; aber auch dem Marquis Bonneval, seinem älteren Bruder, dem Oberhaupt der Familie, glaubte er schreiben zu müssen, und natürlich Herrn Voltaire. Wer schrieb nicht an Voltaire? Der Schriftsteller J. B. Rousseau in Antwerpen hatte das unschätzbare Verdienst, fast ebenso hoffnungslos mit Eugen verkracht zu sein wie Bonneval selbst. Er bekam seine Briefe wie Stanislaus Leszinsky, der frühere König von Polen und Ludwigs XV. Schwiegervater, ebenso wie Casanova, wie der König von Schweden, und jedermann ließ sie sich gern gefallen; denn langweilig waren sie nicht. Er schrieb an alle, die er kannte, und er kannte alle, die einen Namen hatten. Nur an seine Frau, die ihn liebte, schrieb er nicht. Warum sollte er ihr schreiben? Ihres Herzens und ihres Bettes war er gewiß.

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    Von welcher Seite man die Lage eines so berühmten und fähigen Mannes wie des Grafen Bonneval auch ansehen mochte, so belustigte sie in jedem Fall mehr die andern als ihn selbst. Im Gegensatz zu ihr
    war die eines seiner Mitemigranten fürstlich. Zwar hatte der Wiener Hof solange seine Verbannung beantragt, bis Konstantinopel von dem hohen Herrn freiwillig aufgegeben worden war, aber nicht, um nach einer ferngelegenen Stadt Anatoliens oder einer einsamen Insel im Archipel sich zu verflüchtigen, wie man es in Wien gern gesehen hätte. Auch in der Emigration wurde dieser Gast der Hohen Pforte von so großen Mächten wie Frankreich und Spanien und von anderen Staaten als Souverän anerkannt, bei dem sie Gesandtschaften unterhielten, die sich in nichts von denen bei der Pforte unterschieden. Das allein wäre auch dann zu berücksichtigen gewesen, wenn die Türkei selbst sich nicht ebenfalls dieses Mannes zu bedienen gehofft und ein Mangel an Achtung überhaupt ihrer vornehmen Tradition widersprochen hätte. Für die Türken war Großmut gegenüber dem Schutzbedürftigen eine Selbstverständlichkeit.
    „Alle, die sich Unserer Hohen Pforte als Gäste nahen, werden ehrenvoll behandelt und sollen an Unserer Hilfe und Unterstützung nicht zweifeln. Es ist Unser Edler Befehl, daß auch Deine Hoheit aller Ehren teilhaftig werde, die ihr gebühren.“
    Mit diesen Worten hatte Sultan Ahmed 1717 Seine durchlauchtigste Hoheit Franz II Rakoczy, Fürst von Siebenbürgen und Ungarn,

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