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Der Eunuch

Titel: Der Eunuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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in großer Audienz und mit allem Gepränge empfangen, das einem Fürsten Siebenbürgens nach dem Kanun zustand.
    Als die Deutschen sich dann wegen der Anwesenheit ihres Erzfeindes beunruhigt hatten, war der Großwesir Ibrahim mit bewährter byzantinischer Diplomatie auch ihnen entgegengekommen. Rakoezys Palast war von Anfang an zu klein gewesen für den fürstlichen Hofstaat mit seinen „Gentilhommes de la cour de S. A. S. le Prince“, seinen Kammerherren, adeligen Jagdbeamten, Hofgeistlichen, Intendanten und Sekretären mit insgesamt über achtzig Hofherren und deren Damen. An Stelle eines so ungenügenden Baues erhielt der Fürst eine ganze Stadt zu seiner Residenz und in ihr über dreißig der schönsten Gebäude zu seiner persönlichen Verfügung. Diese Stadt Rodosto lag der Insel Marmara im Meer gleichen Namens gegenüber. Es war eine christliche Stadt. Ihre zwanzigtausend Einwohner bestanden fast nur aus Griechen und Armeniern. Bei einem so eifrigen Christen wie Rakoczy konnte das nur dazu beitragen, sich in seiner neuen Residenz leichter heimisch zu fühlen. Noch größer war der andere Vorteil für ihn: Von Konstantinopel aus konnte man Rodosto mit Segeln und Rudern in einer einzigen Nacht erreichen - mit Segeln und Rudern; denn diese kleinen, offenen Tschaiks waren hierfür am besten geeignet. Rodosto hatte keinen Hafen, und die Reede war flach. Ebenso schnell und für Kuriere noch schneller war die Post mit ihren Stationen zum Pferdewechsel alle vier bis fünf Meilen.
    Die Kosten für des Fürsten Hofhaltung, seine adeligen Leibwächter in ihren blauen Waffenröcken mit orangefarbenen Schärpen und goldenen Knöpfen, sowie für die Dienerschaft wurden von Frankreich wie von der Pforte getragen. Diesen Kosten fügte der Sultan noch die für eine Ehrenwache von hundert Janitscharen unter dem Befehl eines Obersten hinzu. Die Abkommandierung eines so hohen Stabsoffiziers zu einer so kleinen Herdschaft bewies hinlänglich, daß es sich dabei nicht um Bewachung, sondern um Hofdienst handelte, in den sich die fürstlichen Leibwächter mit dem Fanfarengeschmetter ihrer Zinken und die Janitscharen mit Querpfeifen und Schellenbaum teilten. Glanzvoll genug sah Rakoczys Leben auf diese Weise aus - ihm selbst erschien es eher als das eines Bettlers - eines Bettlers freilich, der bei feierlichen Anlässen einen diamantenbesternten Kalpak zum Purpurmantel trug und seinen Stuhl unter einen Thronhimmel stellen durfte.
    Im Todesjahr seines Vaters war er bereits als Fürst Rakoczy und als einer der Reichsten der Christenheit geboren worden. Aber trotz seiner vielen Güter und weiten Gebiete, seiner Städte und Festungen mit rakoczyschen Besatzungen war er in seinen Knabenjahren der Dürftigkeit, dem Hunger und der Kälte preisgegeben gewesen. Vielleicht wäre der Tod des Knaben dessen Stiefvater, dem Grafen Tököly, nicht ungelegen gekommen. In seinem Kampf gegen Österreich hätte Tököly das Vermögen der Rakoczy weit eher gebrauchen können als die kriegerische Hilfe eines neunjährigen Jungen. In jedem Fall war es für den kleinen Fürsten ein Glück gewesen, daß er mit zwölf Jahren in seiner eigenen, von der Mutter hartnäckig verteidigten Festung Munkacz in österreichische Gefangenschaft geraten war.
    Daraufhin hatte der Kaiser sich zu seinem und seiner Schwester Vormund erklärt, von der er sich ebenso wie von seiner Mutter, seinem Hofmeister und seinen Dienern in Wien hatte trennen müssen, um zuerst im Neuhäuser Konvikt und dann auf der Prager Universität von Jesuiten erzogen zu werden. Diese drei Jahre hatten sein religiöses Leben entschieden. Stockkatholisch war er geworden und auch dann noch geblieben, als später in seinem Freiheitskampf der Papst ihm in den Rücken gefallen war. Nach allzu stürmischen Kinderjahren waren diese drei Jahre die ersten einer verhältnismäßigen Ruhe gewesen, und so gedachte er ihrer bis an sein Ende als der Jahre eines verlorenen Glückes.
    Vorerst freilich hatte es so ausgesehen, als solle das Glück erst kommen. Bis jetzt war die Vormundschaft in Stellvertretung vom Kardinal Kolonicz ausgeübt worden, nun aber hatte der Kaiser selbst verfügt, daß dieser junge Mann aus einem ihm so feindlichen Geschlecht nach Wien kommen möge, um persönlich in dem Prozeß um seine Güter gehört zu werden. Das war zweifellos ein Beweis kaiserlicher Gunst mit berechtigten Hoffnungen auf eine Versöhnung gewesen. Als eine noch beglückendere Gewißheit hatte ihn das Wiedersehen mit

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