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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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verzierte Stühle für befreundete Anhänger des Größenwahns. An den Schmalseiten je ein bestickter Sessel für das königliche Paar. Daddy wusste , dass es furchtbar hässlich war , aber er liebte es trotzdem so , und ich auch , hatte Tessa ihm mitgeteilt. Tja , also ich nicht , hatte er gedacht, aber der Himmel verhüte , dass ich dir das verrate . In den ersten Monaten ihres Zusammenlebens hatte Tessa von nichts anderem gesprochen als von ihrer Mutter und ihrem Vater, bis sie unter Justins geschickter Führung begann, deren Geister zu vertreiben, indem sie das Haus mit Menschen ihres Alters füllte, je verrückter, desto fröhlicher: Trotzkisten aus Eton, trunksüchtige polnische Prälaten und orientalische Mystiker, dazu die Hälfte aller Schmarotzer dieser Welt. Aber nachdem sie Afrika für sich entdeckt hatte, wurde sie geradliniger, und die Nummer vier verwandelte sich in einen Zufluchtsort für introvertierte Entwicklungshelfer und Aktivisten jeglicher, auch zweifelhafter, Couleur. Justins Blick, den er über die Zimmereinrichtung schweifen ließ, blieb missbilligend auf dem Ruß hängen, der sich sichelförmig um den Marmorkamin herum zog und auch Kaminbock und Kamingitter bedeckte. Dohlen, dachte er. Und ließ den Blick weiter wandern, bis er erneut auf dem Ruß hängen blieb. Jetzt kamen auch seine Gedanken mit und blieben daran hängen. Justin ging mit sich zu Rate. Oder mit Tessa, was so ziemlich auf das Gleiche hinauslief.
    Was für Dohlen?
    Und wann?
    Die Notiz in der Diele trägt das Datum von Montag.
    Ma Gates kommt jeden Mittwoch – Ma Gates alias Mrs Dora Gates, Tessas altes Kindermädchen. Wurde nie anders als Ma Gates genannt.
    Und wenn Ma Gates nicht auf dem Posten ist, kommt ihre Tochter Pauline.
    Und wenn auch die verhindert ist, bleibt immer noch ihre etwas ordinäre Schwester Debbie.
    Und es war schlicht undenkbar, dass eine dieser Frauen einen solchen Rußfleck übersehen hätte.
    Daher mussten die Dohlen ihren Angriff nach dem letzten Mittwoch und vor dem heutigen Abend geflogen haben.
    Wenn also das Haus am Montag geräumt worden war – siehe Notiz – und Ma Gates am Mittwoch sauber gemacht hatte, was hatte es dann auf sich mit diesem frischen Abdruck eines Sportschuhs mit starkem Profil, der Größe nach von einem Mann, der sich ganz deutlich im Ruß abzeichnete?
    Auf der Anrichte stand ein Telefon, daneben lag ein Adressbuch. Ma Gates’ Nummer stand in Tessas roter Kritzelschrift auf dem Inneneinband. Justin wählte und bekam Pauline an den Apparat, die in Tränen ausbrach und den Hörer ihrer Mutter weiterreichte.
    »Es tut mir so furchtbar Leid«, sagte Ma Gates langsam und deutlich. »Uns fehlen die Worte, Mr Justin. Es gibt keine dafür.«
    Justin begann sein Verhör. So geduldig und behutsam, wie es nur möglich war, wobei er weitaus mehr zuhörte als fragte. Ja, Ma Gates war wie immer am Mittwoch da gewesen, von neun bis zwölf, sie wollte es einfach … Es gab ihr die Möglichkeit, ganz allein mit Miss Tessa zu sein … Sie hatte sauber gemacht, wie immer, nicht geschludert, nichts vergessen … Und sie hatte sich die Zeit genommen, zu weinen und zu beten … Und wenn er nichts dagegen hätte, würde sie gern weiterhin kommen, bitte, immer mittwochs, so wie früher, als Miss Tessa noch am Leben war. Nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Erinnerungen …
    Ruß? Auf keinen Fall! Da war kein Ruß auf dem Esszimmerboden am Mittwoch, sonst hätte sie ihn doch bestimmt gesehen und weggewischt, bevor jemand hineintreten könnte. Der Londoner Ruß war ja so schmierig! Bei diesen großen Kaminen achtete sie immer besonders auf Ruß! Nein, nein, Mr Justin, der Schornsteinfeger hatte mit Sicherheit keinen Schlüssel.
    Wusste Mr Justin vielleicht, ob man Dr. Arnold schon gefunden hatte, denn von allen Herren, die das Haus je betreten hatten, war ihr Dr. Arnold der liebste gewesen, egal, was man jetzt in den Zeitungen las. Die sogen sich ja doch alles nur aus den Fingern …
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mrs Gates.«
    Justin machte den Kronleuchter im Salon an und gestattete sich einen Blick auf all die Dinge, die für immer mit Tessa verbunden waren: die beim Reiten gewonnenen Rosetten aus ihrer Kindheit; Tessa bei ihrer Erstkommunion; ihr Hochzeitsfoto, sie beide auf den Stufen der winzigen Kirche Sant’ Antonio auf Elba. Doch was Justin nicht aus dem Kopf ging, war der Kamin. Die Feuerstelle war aus Schiefer, der Rost ein niedriges viktorianisches Ding, eine Mischung

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