Der ewige Gaertner
trat hinaus in die eisige Dunkelheit. Für den Gang zum Kino brauchte er zehn Minuten. Saal zwei war zu drei Vierteln leer. Er achtete nicht auf den Film. Zweimal musste er sich, die Notentasche in der Hand, zur Männertoilette schleichen, um unbeobachtet auf seine Armbanduhr sehen zu können. Um fünf vor neun verließ er den Saal durch den Westausgang und fand sich in einer bitterkalten Seitenstraße wieder. Ein parkender blauer Minibus starrte ihm entgegen, und für einen Moment durchzuckte ihn der absurde Gedanke, es wäre der grüne Safarijeep aus Marsabit. Die Scheinwerfer wurden kurz aufgeblendet. Eine eckige Gestalt mit Seemannsmütze hockte hinter dem Steuer.
»Hecktür«, befahl Rob.
Justin ging nach hinten und sah, dass die Tür bereits offen war; Lesleys Arm reckte sich ihm entgegen, um die Notentasche in Empfang zu nehmen. Justin landete in tiefster Finsternis auf einem Holzsitz und fand sich nach Muthaiga zurückversetzt, auf die Bank des VW-Busses, Livingstone am Steuer und neben ihm Woodrow, der Anweisungen erteilte.
»Wir observieren Sie, Justin«, erklärte Lesley. Im Dunkeln klang ihre Stimme eindringlich, und doch seltsam bedrückt. Es war, als hätte auch sie einen schweren Verlust erlitten. »Das Überwachungsteam ist Ihnen zum Kino gefolgt, wir gehören dazu. Jetzt überwachen wir die Seitentür, für den Fall, dass Sie da rauskommen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass die Zielperson sich langweilt und die Vorführung frühzeitig verlässt. Das haben Sie gerade getan. Und zwar in fünf Minuten, wie wir der Einsatzleitung melden werden. Wo wollen Sie hin?«
»Richtung Osten.«
»Dann rufen Sie sich ein Taxi und fahren nach Osten. Wir werden die Nummer des Taxis weitergeben. Folgen werden wir Ihnen nicht, weil Sie uns wieder erkennen könnten. Vor dem Kino wartet ein zweiter Überwachungswagen auf Sie, und für unvorhergesehene Fälle steht in der King’s Road ein weiterer bereit. Falls Sie lieber zu Fuß gehen oder die U-Bahn nehmen, schicken sie Ihnen ein paar unauffällige Passanten hinterher. Fahren Sie mit dem Bus, wird man das dankbar zur Kenntnis nehmen, denn nichts ist leichter, als hinter einem Londoner Bus im Stau zu stehen. Wenn Sie in eine Telefonzelle gehen und jemanden anrufen, werden sie mithören. Sie haben die Genehmigung des Innenministeriums. Das funktioniert überall, egal von wo aus Sie telefonieren.«
»Warum?«, fragte Justin.
Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Lichtverhältnisse. Rob hatte seinen langen Oberkörper über die Rückenlehne des Fahrersitzes gebeugt, um an der Unterhaltung teilzunehmen. Er schien ebenso niedergeschlagen zu sein wie Lesley, gab sich aber feindseliger.
»Weil Sie uns verarscht haben«, sagte er.
Lesley zog die Zeitungen aus Tessas Notentasche und stopfte sie in eine Plastiktüte. Ein Bündel großer Umschläge lag vor ihren Füßen, vielleicht ein Dutzend, die sie anstelle der Zeitungen in die Tasche tat.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte Justin.
»Na, dann geben Sie sich mal ein bisschen Mühe«, riet Rob ihm. »Wir handeln auf geheimen Befehl, oder? Wir sagen Mr Gridley, was Sie gerade tun. Irgendjemand da oben weiß bestimmt, warum Sie das tun, aber wir nicht. Wir sind nur die Handlanger.«
»Wer hat mein Haus durchsucht?«
»In Nairobi oder in Chelsea?«, konterte Rob höhnisch.
»Chelsea.«
»Es steht uns nicht zu, danach zu fragen. Das Team wurde für vier Stunden abberufen, so lange also, bis die Sache erledigt war, von wem auch immer. Das ist alles, was wir wissen. Gridley hat einen Polizisten in Uniform vor die Tür gestellt, für den Fall, dass jemand ins Haus wollte. Er hätte dann sagen sollen, die Beamten seien dabei, einen Diebstahl in dem Haus zu untersuchen, und der Besucher solle sich gefälligst verziehen. Falls es überhaupt ein Polizist war, was ich bezweifle.« Rob klappte den Mund wieder zu.
»Rob und ich sind von dem Fall abgezogen worden«, sagte Lesley. »Gridley würde uns liebend gern auf die Orkney-Inseln schicken, um dort den Verkehr zu regeln, aber er traut sich nicht.«
»Man hat uns einfach von allem abgezogen«, warf Rob ein. »Wir sind Unpersonen. Das haben wir allein Ihnen zu verdanken.«
»Er will uns da haben, wo er uns im Auge behalten kann«, sagte Lesley.
»Wenn’s geht, auch noch beim Pinkeln«, sagte Rob.
»Er hat zwei neue Beamte nach Nairobi geschickt, die der Polizei vor Ort bei der Suche nach Bluhm zur Seite stehen sollen, und das war’s «, sagte Lesley.
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