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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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zeigte sie ihm ein breites Lächeln. »Und Sie möchten, dass ich Ihnen bis zehn Uhr eine Antwort auf all diese einfachen Fragen gebe?«
    »Wenn Sie mir nur erklären könnten, was genau Hippo eigentlich macht, wer Sie finanziert, worin Sie gewissermaßen Ihre Aufgabe sehen«, sagte er ernst.
    Sie sprach, und er schrieb in das Notizbuch auf seinen Knien. Sie führte ihm ihr Kabinettstückchen vor, dachte er und gab sich beim Schreiben alle Mühe, interessiert zu wirken. Er dachte daran, dass diese Frau Tessas Freundin und Verbündete gewesen war, ohne ihr je begegnet zu sein, und dass sie sich, wenn sie sich kennen gelernt hätten, zu ihrer Wahl gratuliert haben würden. Er dachte, dass es für einen Einbruch viele Gründe geben konnte und dass einer davon war, die Installation gewisser Vorrichtungen zu tarnen, mit denen man, wie das Außenministerium dies zu nennen geruhte, Spezialerkenntnisse gewinnen konnte. Nur für Erwachsene. Er dachte wieder an sein Sicherheitstraining und den Gruppenbesuch in einem makabren Kellerlabor hinter Carlton Gardens, in dem die Teilnehmer mit eigenen Augen die neuesten cleveren Orte bewundern durften, an denen ultrawinzige Abhörgeräte versteckt werden konnten. Vorbei die Zeit der Blumentöpfe, Lampenschirme, Verteilerdosen, Deckenfriese und Bilderrahmen; ab jetzt war so ziemlich alles möglich, was man sich vorstellen konnte, von der Heftmaschine auf Birgits Schreibtisch bis hin zu ihrer Sherpajacke am Türhaken.
    Er hatte geschrieben, was er schreiben wollte, und sie hatte offenbar gesagt, was sie sagen wollte, denn nun stand sie auf und durchsuchte einen Stapel Broschüren im Regal nach Hintergrundlektüre, die sie ihm überreichen könnte, damit er rechtzeitig zu Beginn ihrer Konferenz um zehn aus ihrem Büro verschwunden war. Beim Suchen sprach sie besorgt über die deutsche Zulassungsbehörde für Arzneimittel und bezeichnete sie als Papiertiger. Und die Weltgesundheitsorganisation bekommt ihr Geld aus Amerika, fügte sie verächtlich hinzu – das heißt, sie begünstigt die großen Konzerne, betet den Profit an und schreckt vor radikalen Entscheidungen zurück.
    »Gehen Sie zu irgendeiner WHO-Konferenz – und was sehen Sie da?«, fragte sie, während sie ihm einen Packen Broschüren in die Hand drückte. »Lobbyisten. PR-Leute von den großen Pharmaunternehmen. Zu Dutzenden. Manchmal drei oder vier von einem einzigen Unternehmen. ›Wir laden Sie zum Essen ein. Kommen Sie zu unserem Wochenend-Seminar. Haben Sie den wunderbaren Aufsatz von Professor Soundso gelesen?‹ Aber die Dritte Welt ist nicht so raffiniert. Ihr fehlt es an Geld, ihr fehlt es an Erfahrung. Mit ihrer Diplomatensprache und ihren Tricks können die Lobbyisten sie leicht über den Tisch ziehen.«
    Birgit verstummte und schaute ihn fragend an. Justin hielt ihr das aufgeschlagene Notizbuch hin. Er hielt es neben sein Gesicht, so dass sie beim Lesen seine Miene beobachten konnte und die war, so hoffte er, beruhigend und ermutigend zugleich. Zusätzlich hob er warnend den Zeigefinger der freien Linken.
     
    ICH BIN TESSA QUAYLES MANN, UND ICH TRAUE DIESEN WÄNDEN NICHT. KÖNNEN WIR UNS HEUTE ABEND UM HALB SECHS VOR DER ALTEN BURG TREFFEN?
     
    Sie las, dann sah sie ihm an dem erhobenen Zeigefinger vorbei in die Augen und wandte den Blick auch nicht ab, als er, um das Schweigen zu brechen, das Erstbeste sagte, was ihm in den Kopf kam.
    »Sie meinen also, wir brauchen irgendeine unabhängige Weltorganisation, die die Macht hat, sich über diese Unternehmen hinwegzusetzen?«, fragte er ungewollt aggressiv. »Die deren Einfluss beschneidet?«
    »Ja«, antwortete sie vollkommen ruhig. »Ich finde, das wäre eine ausgezeichnete Idee.«
    Er ging an der Frau im Rollkragenpullover vorbei und winkte ihr so fröhlich zu, wie es sich seiner Meinung nach für einen Journalisten ziemte. »Schon fertig«, versicherte er ihr. »Bin wieder weg. Danke für Ihre Hilfe« – nicht nötig, die Polizei anzurufen, um zu sagen, Sie hätten einen Betrüger im Haus.
    Auf Zehenspitzen durchquerte er das Klassenzimmer und versuchte noch einmal, der gestressten Lehrerin ein Lächeln zu entlocken. »Das letzte Mal«, versprach er. Aber die Einzigen, die lachten, waren die Kinder.
    Auf der Straße warteten immer noch die zwei Männer mit den Regenmänteln und den schwarzen Hüten auf die Beerdigung. Am Bordstein parkte ein Audi, in dem zwei junge Frauen mit ernster Miene einen Stadtplan studierten. Zurück im Hotel erkundigte er sich aus

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