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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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ihm vor, als bewegten sich die Flügel des Gebäudes auf ihn zu, als wollten sie ihn erdrücken. Manchmal stürzten sie über ihm zusammen. Er bekam weiche Knie, und plötzlich fand er sich auf einer Bank wieder, mitten auf einer zertrampelten Wiese, wo argwöhnische Frauen ihre Hunde ausführten. Er bemerkte einen schwachen, aber durchdringenden Geruch und fühlte sich für einen Augenblick in die Leichenhalle in Nairobi zurückversetzt. Wie lange müsste ich hier leben, fragte er sich, um diesen Geruch nicht mehr wahrzunehmen? Offenbar war es Abend geworden, denn die kupferfarbenen Fenster wurden hell, und dahinter sah er die Umrisse von Menschen, die sich bewegten, und die flackernd blauen Lichtpunkte von Computerbildschirmen. Warum sitze ich hier?, fragte er sie. An was denke ich, wenn nicht an dich?
    Sie saß neben ihm, hatte aber ausnahmsweise keine Antwort parat. Ich denke an deinen Mut, antwortete er an ihrer Stelle. Ich denke daran, dass ihr beide, du und Arnold, gegen das alles hier gekämpft habt, während der gute alte Justin nichts Wichtigeres zu tun hatte, als dafür zu sorgen, dass seine Blumenbeete stets sandig genug waren für deine gelben Freesien. Ich denke, dass ich nicht mehr an mich und all das glaube, wofür ich früher eingetreten bin. Dass es eine Zeit gab, in der dein Justin, wie die Leute in diesem Gebäude hier, stolz darauf war, sich dem strengeren Urteil eines kollektiven Willens zu unterwerfen – eines Willens, den er mal Vaterland , mal gesunden Menschenverstand oder, mit gewissen Vorbehalten, auch schon mal die Höhere Sache nannte. Es gab eine Zeit, in der ich es für richtig gehalten habe, dass ein Mann – oder eine Frau – sich für die Mehrheit aufopfert. Es gab eine Zeit, in der ich abends vor dem Außenministerium stehen, zu den hellen Fenstern hinaufsehen und denken konnte: Guten Abend, ich bin’s, euer ergebener Diener Justin. Ich bin ein Teil der großen klugen Maschine, und ich bin stolz darauf. Ich diene, also empfinde ich. Während ich jetzt nur noch eins empfinde: dass du dich allein gegen diese ganze Meute gestellt hast. Und dass sie, wenig überraschend, gewonnen haben.
    ***
    Justin bog von der Hauptstraße der kleinen Stadt links ab, Richtung Nordwesten, und gelangte auf den Dawes Boulevard, und obwohl ihm der Präriewind jetzt unmittelbar von vorne ins verfinsterte Gesicht blies, behielt er weiterhin wachsam seine Umgebung im Auge. Die drei Jahre als Handelsattaché in Ottawa waren nicht umsonst gewesen. Er war zum ersten Mal in seinem Leben an diesem Ort, und doch war ihm alles vertraut. Schnee von Halloween bis Ostern, erinnerte er sich. Aussaat nach dem ersten Vollmond im Juni, Ernte vor dem strengen Frost im September. Es würde noch einige Wochen dauern, ehe die ersten Krokusse sich ängstlich zwischen den toten Grasbüscheln aus der Erde schieben würden. Auf der anderen Straßenseite stand die Synagoge, ein trutziger Zweckbau, errichtet von Siedlern, die hier mit schlimmen Erinnerungen, Pappkoffern und der Hoffnung auf ein Stück Land am Bahnhof abgesetzt worden waren. Hundert Meter weiter erhob sich die Ukrainische Kirche, dahinter die Römisch-Katholische, die der Presbyterianer, der Zeugen Jehovas und der Baptisten. Die Parkplätze davor wirkten wie elektrifizierte Pferdekoppeln, auf denen die Fahrzeuge der Gläubigen es warm hatten, während ihre Besitzer beteten. Ein Satz von Montesquieu ging Justin durch den Kopf: Nirgends hat es so viele Bürgerkriege gegeben wie im Königreich Christi.
    Hinter den Gotteshäusern standen die Häuser des Mammons, das Industriegebiet der Stadt. Die Rindfleischpreise müssen im Keller sein, dachte er. Warum sonst hätte Guy Poitier da wohl eine nagelneue Schweinefleischfabrik hingestellt? Und dem Getreide ging es anscheinend auch nicht besser – oder was hatte eine Sonnenblumenölfabrik mitten in einem Weizenfeld zu suchen? Und diese Gruppe eingeschüchterter Leute da vor den alten Mietshäusern am Bahnhofsplatz mussten Sioux oder Cree sein. Der Treidelpfad machte einen Bogen und führte Justin durch einen kurzen Tunnel nach Norden. Dahinter tat sich ein anderes Land auf, mit Bootshäusern und Villen mit Blick auf den Fluss. Hier mähen die reichen Angelsachsen ihren Rasen und waschen ihre Autos und schimpfen auf die Juden und Ukrainer und diese verfluchten Indianer, die von der Fürsorge leben, befand er. Und da oben, auf dem Hügel, oder was man in dieser Gegend so nannte, stand sein Ziel, der Stolz der Stadt, das

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