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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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alle behoben, kein Problem! Lorbeer liebt Afrika, Mann, er liebt die ganze Menschheit, er ist ein guter Mensch, er ist nicht dafür geschaffen, eine solche Schuld auf sich zu nehmen! Aber noch während er all dies flehend und stöhnend und schimpfend von sich gibt, gelingt es ihm irgendwie, sich aus der Niederlage zu befreien. Er setzt sich gerade hin. Er strafft die Schultern, und seine Büßermiene wandelt sich zu einer Maske höhnischer Überlegenheit.
    »Und dann bedenken Sie ihr Verhältnis , Mann«, versucht er es mit einer plumpen Anspielung. »Denken Sie an ihr moralisches Verhalten . Ich frage mich, über wessen Sünden wir hier eigentlich reden.«
    »Ich glaube, ich kann Ihnen nicht ganz folgen«, sagt Justin bedächtig, während er eine unsichtbare Trennwand zwischen sich und Lorbeer errichtet.
    »Lesen Sie die Zeitungen, Mann. Hören Sie Radio. Bilden Sie sich unabhängig eine Meinung, und dann sagen Sir mir bitte: Wie kommt diese hübsche, verheiratete weiße Frau dazu, mit einem gut aussehenden schwarzen Arzt als ständigem Begleiter durch die Gegend zu reisen? Warum tritt sie unter ihrem Mädchennamen auf und nicht unter dem Namen ihres rechtmäßigen Ehemannes? Wie kommt diese unverfrorene Ehebrecherin und Heuchlerin dazu, an der Seite ihres Liebhabers hier in dieses Zelt zu stolzieren und Markus Lorbeer nach seiner Moral zu fragen?«
    Aber die Trennwand hat offenbar ein Loch, denn Lorbeer starrt Justin an, als wäre plötzlich der Engel des Todes vor ihm erschienen und riefe ihn vor das Gericht, das er so sehr fürchtet.
    »Gott im Himmel, Mann. Sie sind das. Ihr Mann. Quayle.«
    ***
    Das letzte Flugzeug des Tages ist gekommen, die Mitarbeiter haben den Wohnbereich verlassen und sammeln die abgeworfenen Säcke ein. Lorbeer hockt allein in seinem Zelt und weint, und Justin sitzt draußen auf dem Erdhaufen neben dem Luftschutzraum und genießt die Abendvorstellung: erst die pechschwarzen Reiher, die mit ihrem Flug den Sonnenuntergang ankündigen. Dann die Blitze, die in lang gezogenen, zitternden Salven die Dämmerung vertreiben. Dann der weiße Schleier, in dem die Feuchtigkeit des Tages aufsteigt. Und schließlich die Sterne, so nah, dass man sie berühren könnte.

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    V on Whitehall und Westminster aus präzise gesteuerte Gerüchte, ständig wiederholte Fernsehstatements und irreführende Bilder, den trägen Köpfen von Journalisten entsprungen, die ihrer Pflicht, Fragen zu stellen, nur nachkamen, wenn es um den nächsten Redaktionsschluss oder die nächste Einladung zum Lunch ging, fügten der Menschheitsgeschichte ein weiteres kleines Kapitel hinzu.
    Dass Mr Alexander Woodrow – entgegen der gängigen Praxis – en poste in den Rang des britischen Hochkommissars befördert wurde, nahm das weiße Nairobi mit leiser Genugtuung zur Kenntnis, und die afrikanische Presse äußerte sich erfreut. »Ein stiller Förderer der Verständigung«, lautete die Überschrift auf Seite drei des Nairobi Standard , und Gloria wurde als »frischer Windhauch« bezeichnet, der »die letzten Spinnweben des britischen Kolonialismus wegblasen« würde.
    Über das plötzliche Verschwinden von Porter Coleridge in den Katakomben von Whitehall wurde wenig gesprochen, aber viel gemunkelt. Woodrows Vorgänger habe »keinen Draht zum modernen Kenia« gehabt. Er habe »fleißige Minister mit seinen Predigten gegen die Korruption verärgert«. Es wurde sogar angedeutet, wenn auch klugerweise nicht näher ausgeführt, er sei womöglich selbst dem Laster verfallen, das er so sehr verdammt habe.
    Gerüchte, denen zufolge Coleridge in Whitehall vor einen »Disziplinarausschuss gestellt« und aufgefordert worden sei, »gewisse peinliche Dinge« zu erklären, »die während seiner Amtszeit vorgefallen« seien, wurden vom Sprecher des Hochkommissariats, der sie selbst in die Welt gesetzt hatte, als müßige Spekulation abgetan, aber nicht dementiert. »Porter war ein hervorragender Gelehrter und ein Mensch mit eisernen Grundsätzen. Es wäre ungerecht, seine zahlreichen Tugenden zu leugnen«, erklärte Mildren einigen zuverlässigen Journalisten in einem inoffiziellen Nachruf, und die wussten, was sie zwischen den Zeilen zu lesen hatten.
    »Sir Bernard Pellegrin, Afrika-Experte des Außenministeriums«, erfuhr eine uninteressierte Öffentlichkeit, sei »vorzeitig in Pension gegangen, um einen Vorstandsposten bei dem multinationalen Pharmagiganten Karel Vita Hudson, Basel, Vancouver, Seattle und jetzt auch

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