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Der ewige Gaertner

Der ewige Gaertner

Titel: Der ewige Gaertner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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aber da muss man praktisch vom Schoß essen, und ein Haufen runzliger Ehemaliger sitzt herum und jammert über Suez. Wollen Sie vorher noch mal pinkeln gehen?«
    Der Speisesaal war ein erhöhter Katafalk, an dessen blauer Himmelsdecke gemalte Cherubim posierten. Die von Pellegrin erwählte Stätte der Andacht befand sich in einer der Ecken, abgeschirmt durch eine blank polierte Granitsäule und einen traurigen Drachenbaum. Um sie herum saß die zeitlose Whitehall-Bruderschaft im steril-grauen Anzug und mit Einheitsfrisur. Dies war einmal meine Welt, erklärte Justin ihr. Als ich dich heiratete, war ich noch einer von ihnen.
    »Schaffen wir uns das Schwierigste zuerst vom Hals«, schlug Pellegrin herrisch vor, nachdem ein westindischer Ober in mauvefarbenem Dinnerjacket ihnen Speisekarten in der Form von Tischtennisschlägern überreicht hatte. Das war ein taktvoller Zug, typisch Pellegrin, der seinem Image eines »anständigen Kerls« entsprach, denn indem sie die Speisekarten studierten, konnten sie einander beschnuppern und vorerst Blickkontakt vermeiden. »Flug erträglich?«
    »Sehr, danke. Man hat mich in die Business Class gesetzt.«
    »Ein wunderbares, ganz ganz wunderbares Mädchen, Justin«, murmelte Pellegrin über die Kante seines Pingpongschlägers hinweg. »Mehr sage ich nicht.«
    »Ich danke Ihnen, Bernard.«
    »Große Seele, großer Schneid. Pfeif auf alles andere. Fleisch oder Fisch? Heut ist nicht Montag –, was haben Sie denn da unten in Afrika gegessen?«
    Justin hatte vom Beginn seiner Karriere an immer wieder mit Bernard Pellegrin zu tun gehabt. In Ottawa war er Bernards Nachfolger gewesen, und in Beirut hatten sie für kurze Zeit gemeinsam Dienst getan. Dann hatten sie zusammen in London einen Kurs »Überleben als Geisel« besucht und dabei so einiges Denkwürdige gelernt: Wie stellt man fest, dass man von einer Gruppe bewaffneter Schurken verfolgt wird, die den Tod nicht fürchten? Wie wahrt man seine Würde, wenn man, Augen verbunden, Hände und Füße mit Klebeband gefesselt, in den Kofferraum eines Mercedes geworfen wird? Und welches ist die beste Methode, aus einem hoch gelegenen Fenster zu springen, angenommen, man könnte die Treppe nicht benutzen, hätte aber die Füße frei?
    »Journalisten sind Arschlöcher«, erklärte Pellegrin vertraulich, nach wie vor aus der Deckung seiner Speisekarte heraus. »Wissen Sie, was ich eines Tages tun werde? Denen unangemeldet auf die Bude rücken. Das tun, was sie mit Ihnen gemacht haben, nur umgekehrt. Einen Haufen Leute anheuern und vor der Tür auftauchen, wenn der Herr Chefredakteur es gerade mit seinem Flittchen treibt. Ihre Kinder auf dem Schulweg fotografieren. Die Ehefrau fragen, wie ihr Alter im Bett ist. Den Scheißern mal zeigen, wie es sich anfühlt, wenn man am falschen Ende sitzt. Sie wollten bestimmt mit dem Maschinengewehr auf die Mistkerle los?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Genau wie ich. Heuchlerische Bande von Analphabeten. Das Heringsfilet ist in Ordnung. Von Räucheraal muss ich furzen. Seezunge Müllerin ist gut, falls Sie Seezunge mögen. Wenn nicht, nehmen Sie sie gebraten.« Er schrieb etwas auf den Block mit den Vordrucken. Oben stand Sir Bernard P in Computerschrift, auf der linken Seite war das Speisenangebot aufgeführt, auf der Rechten gab es Kästchen zum Ankreuzen, und am unteren Ende war noch Platz für die Unterschrift des Klubmitglieds.
    »Seezunge wäre mir sehr recht.«
    Pellegrin hört nie zu, fiel Justin wieder ein. Auf diese Weise hat er sich den Ruf eines großen Unterhändlers erworben.
    »Gebraten?«
    »Müllerinart.«
    »Landsbury gut in Form?«
    »Topfit.«
    »Hat sie Ihnen auch erzählt, dass sie wie ein Rührkuchen ist?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Das bringt sie bei jeder Gelegenheit. Hat sie mit Ihnen über Ihre Zukunft gesprochen?«
    »Ich bin traumatisiert und bis auf weiteres krank geschrieben.«
    »Krabben, ja?«
    »Danke, ich glaube, ich hätte lieber die Avocado«, sagte Justin und beobachtete, wie Pellegrin zweimal Krabbencocktail ankreuzte.
    »Sie werden froh sein zu hören, dass das Außenministerium die Einnahme von alkoholischen Getränken zum Mittagessen inzwischen offiziell missbilligt«, sagte Pellegrin und überraschte Justin mit einem strahlenden Lächeln. Und dann mit einem weiteren, für den Fall, dass die Botschaft nicht angekommen war. Und Justin erinnerte sich, dass jedes Lächeln austauschbar war: gleiche Dauer, gleiche Intensität, gleicher Gehalt an spontaner Wärme. »Sie

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