Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
den Planeten haben. Was nützt er uns? Unsere Rasse wird bald von dem Eis überwältigt werden, das jedes Jahr ein wenig näher kommt, während die Sonne am Himmel verblaßt. Diese Geschöpfe scheinen besser für ein Leben auf dieser Welt gerüstet zu sein als wir.«
Obwohl ich seinen Standpunkt verstehen konnte, war mir nie zuvor eine solche Gleichgültigkeit begegnet. Ich bewunderte ihn, empfand aber kein echtes Verständnis. Es war mein Schicksal, zu kämpfen - obwohl ich den Grund nicht klar erkennen konnte - , und wenn ich auch die Tatsache verabscheute, in alle Ewigkeit Krieg zu führen (wenigstens schien es so), waren meine Instinkte doch die eines Kämpfers.
Während ich über eine Antwort nachdachte, erhob sich der weltliche Fürst. »Nun gut, wir werden noch miteinander sprechen. Ihr könnt in Rowenarc bleiben, solange Ihr es wünscht.«
Und damit verließ er das Zimmer.
Kaum war er gegangen, erschien der Sklave mit dem Reis und dem Wasser. Er drehte sich um und folgte, das Tablett in beiden Händen, seinem Herrn.
Jetzt, da ich sowohl mit dem geistlichen als auch mit dem weltlichen Fürsten Rowenarcs zusammengetroffen war, hatte sich meine Verwirrung nur noch vergrößert. Warum hatte Belphig mir nichts von den Silbernen Kriegern erzählt? War ich dazu bestimmt, sie zu bekämpfen, oder - ein anderer Gedanke drängte sich auf - war die Bevölkerung von Rowenarc der Feind, gegen den Krieg zu führen ich gerufen worden war?
V
DAS SCHWARZE SCHWERT
Und so lebte ich unglücklich, zerrissen von meiner Sehnsucht nach Ermizhad, von dem quälenden Gefühl, etwas Unersetzliches verloren zu haben, in Rowenarc, der Obsidianstadt. In dumpfem Brüten verbrachte ich meine Tage, rätselte über alten Büchern in einer mir fremden Schrift und suchte nach einem Ausweg aus meiner trostlosen Lage, aber meine Verzweiflung wuchs mit jedem Tag.
Genau genommen gab es keine Tage und Nächte in der Obsidianstadt. Die Menschen schliefen, erwachten und aßen, wenn sie Lust dazu verspürten, und ihre anderen Bedürfnisse befriedigten sie in derselben Weise, obwohl diese Bedürfnisse allesamt schal geworden waren und es niemals etwas Neues gab.
Die Räume, die man mir zugewiesen hatte, befanden sich in dem Stockwerk unterhalb Haradeiks, Bischof Belphigs Provinz. Wenn sie auch nicht ganz so eigenwillig ausgestattet waren wie die Zimmer des Bischofs, hätte ich doch die Schlichtheit bevorzugt, in der Shanosfane lebte. Allerdings erfuhr ich, daß Shanosfane selbst den meisten Zierat aus Dhötgard hatte entfernen lassen, als nach dem Tod seines Vaters der Titel auf ihn überging. Die Räume waren mehr als bequem - selbst der verwöhnteste Genießer hätte sie als luxuriös bezeichnet - aber während der ersten Woche meines Aufenthaltes quälte mich ein nicht enden wollender Strom von Besuchern.
Es war der Traum eines Verführers, aber für mich, dessen Liebe für Ermizhad sich noch nicht gemindert hatte, war es ein Alptraum.
Eine Frau nach der anderen erschien in meinem Schlafzimmer, und alle versprachen mir ausgefallenere Genüsse, als selbst Faust sie erlebt hatte. So höflich wie nur möglich - und sehr zu ihrer Verblüffung - wies ich sie alle ab. Auch Männer kamen, mit ähnlichen Anerbieten, und weil in Rowenarc solches Verhalten nicht als schändlich galt, behandelte ich sie mit derselben Höflichkeit.
Und dann erschien Bischof Belphig mit Geschenken - jungen Sklaven, die ebenso dick geschminkt waren, wie er - ausgefallenen Speisen, die nicht nach meinem Geschmack waren - erotischen Dichtungen, die mich nicht interessierten - schlüpfrigen Vorschlägen, die mich anekelten. Da ich ihm das Dach über meinem Kopf und die Möglichkeit zum Studium verdankte, ertrug ich ihn geduldig und sagte mir, daß er es nur gut meinte, obwohl ich sowohl seine Neigungen als auch sein Aussehen abscheulich fand.
Bei meinen Besuchen in den Büchereien, die sich auf verschiedene Stockwerke der Obsidianstadt verteilten, wurde ich Zeuge von Vorgängen, von denen ich nicht geglaubt hatte, daß sie außerhalb der Seiten von Dantes INFERNO möglich sein könnten. Die Orgien waren zahllos. Ich stolperte darüber, wo immer ich hinging. Sogar in einigen der Büchereien. Und niemals handelte es sich um gewöhnliche Ausschweifungen.
Die Folter war allgegenwärtig, und jedermann, der Lust dazu verspürte, konnte zusehen. Daß die Opfer ihr Schicksal freiwillig gewählt hatten, machte mir den Anblick keineswegs erträglicher. Selbst Mord galt nicht als
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