Der ewige Held 02 - Der Phönix im Obsidian
öffnete die Augen.
Der rufende Kelch war verschwunden. Nur Finsternis war geblieben.
Belphig zitterte vor Angst. Als er mich ansah, wurde mir klar, daß er mich mit der Ursache seiner Furcht in Verbindung brachte.
Ich sagte grimmig: »Das war nicht mein Tun, ich schwöre es.«
Belphig räusperte sich mehrmals, bevor er sprach. »Ich habe von Männern gehört, die Trugbilder heraufbeschwören konnten, Graf Urlik, aber niemals waren es so überzeugende Bilder. Ich bin beeindruckt, aber ich hoffe, daß Ihr davon Abstand nehmt, Eure Fähigkeit ein zweites Mal zu beweisen. Daß ich Eure Frage nach dieser Glocke nicht beantworten konnte, war kein Grund .«
»Wenn es sich um ein Trugbild handelte, Bischof Belphig, dann hatte ich nichts damit zu tun.«
Belphig öffnete den Mund, um mir zu antworten, überlegte es sich anders und begab sich schaudernd unter Deck.
VIII
DIE HÖHLE DES SEEHIRSCHEN
Ich blieb geraume Zeit an der Reling stehen und starrte in das Zwielicht hinaus, weil ich irgendetwas zu entdecken hoffte, das mir einen Hinweis auf den Ursprung dieser seltsamen Erscheinung lieferte. Bis auf das Erlebnis in meinem Schlafzimmer auf der Welt der Alten, war dieses das erste Mal, daß meine Träume mich im wachen Zustand heimgesucht hatten.
Und es war kein Traum gewesen, denn Bischof Belphig hatte alles gesehen und gehört - ebenso der größte Teil der Besatzung und seines Gefolges. Auf den unteren Decks flüsterten sie miteinander, bedachten mich mit furchtsamen Blicken und hofften zweifellos, daß ich sie mit weiteren Erlebnissen dieser Art verschonen würde.
Aber wenn der rufende Kelch mit mir zu tun hatte, dann gab es auch irgendeine Verbindung zwischen der unsichtbaren Glocke und Bischof Belphig.
Und warum ließ Belphig die Jagd nicht abbrechen, wo jeder vernünftige Mensch in die Sicherheit der Obsidianstadt zurückgekehrt wäre? Vielleicht hatte er in diesen Gewässern ein Zusammentreffen mit irgend jemanden verabredet? Aber mit wem? Einem der Piraten, von denen er gesprochen hatte? Vielleicht sogar den Silbernen Kriegern?
Aber das waren unwichtige Spekulationen, im Vergleich zu den letzten Ereignissen. Was war das Schwarze Schwert? Warum wehrte sich etwas in mir dagegen, obwohl ich doch nicht wußte, was es damit für eine Bewandtnis hatte? Sicher war mir der Name auf seltsame Weise vertraut und ebenso sicher wollte ich nicht daran denken - deshalb hatte ich in jener Nacht das Mädchen genommen. Scheinbar war ich zu allem bereit, um das Schwert zu vergessen, ihm zu entfliehen.
Schließlich, müde und vollkommen verwirrt, kehrte ich in meine Kabine zurück und fiel in meine Hängematte.
Aber ich konnte nicht schlafen. Ich wollte nicht schlafen, weil ich Angst vor den Träumen hatte.
Ich erinnerte mich an die Worte: WENN DU DIESE WELT VOR DEM UNTERGANG BEWAHREN UND EINEN AUSGANG AUS DEINEN EIGENEN NÖTEN FINDEN WILLST, MUSST DU DAS SCHWARZE SCHWERT ERGREIFEN.
Und der monotone Gesang hallte durch meine Gedanken: SCHWARZES SCHWERT. SCHWARZES SCHWERT. SCHWARZES SCHWERT. DAS SCHWARZE SCHWERT IST DAS SCHWERT DES HELDEN - DAS WORT DES SCHWERTES IST DAS GESETZ DES HELDEN .
In irgendeinem früheren Leben - ob in der Zukunft oder Vergangenheit hatte für mich keine Bedeutung - mußte ich mich von dem Schwarzen Schwert befreit haben. Und indem ich es zurückließ, hatte ich, vielleicht, ein Verbrechen begangen (oder jemanden oder etwas beleidigt, dem daran gelegen war, daß ich das Schwert behielt), für das ich jetzt bestraft wurde, indem ich wahllos durch Zeit und Raum geschoben wurde. Oder vielleicht, wie der Traum angedeutet hatte, bestand die Bestrafung darin, daß ich mir meiner Inkarnationen bewußt war und damit die wahre Tragik meiner Existenz erkannte. Eine ausgeklügelte Strafe, wenn meine Vermutungen zutrafen.
Obwohl ich nichts mehr begehrte als Ruhe und die Möglichkeit, zu Ermizhad zurückzukehren, weigerte sich etwas in mir, den Preis zu zahlen - die Einwilligung, erneut das Schwarze Schwert aufzunehmen.
IN DER KLINGE DES SCHWERTES IST DAS BLUT DER SONNE GEFANGEN -
DER GRIFF DES SCHWERTES UND DIE HAND SIND EINS .
Diese Zeilen waren noch rätselhafter. Ich hatte keine Ahnung, was der erste Teil bedeuten sollte. Vermutlich sollte der zweite Teil lediglich ausdrücken, daß mein eigenes Schicksal und das des Schwertes untrennbar miteinander verbunden waren.
DIE RUNEN AUF DEM SCHWERT SIND DIE SCHLANGEN DER WEISHEIT - DER NAME DES SCHWERTES IST DEM DER SICHEL GLEICH.
Hier war der erste Teil
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