Der ewige Held 03 - Das ewige Schwert
halben Stunde«, sagte sie. »Aber Ihr könnt mich nicht überzeugen, Herr, daß Ihr mein Bruder seid. Ihr habt doch nicht geglaubt, ich würde Euch als von meinem Fleisch und Blut anerkennen?«
»Was bin ich dann, Madame? Ein Gespenst?«
Ich sah zu, als sie und ihre Wachen in einer schäumenden Woge aus Seide und blitzendem Metall die Halle verließen, während der Meister der Schriften uns ein Zeichen gab, ihm durch eine Seitentür in ein kühles Gemach zu folgen, das von einem einzigen großen, runden Fenster hoch in der Wand erhellt wurde. Sobald er die Tür geschlossen hatte, stieß er einen tiefen Seufzer aus. »Landesprinz Ottro, ich hatte gefürchtet, Ihr wäret ermordet worden. Und Ihr gleichfalls, Prinz Flamadin. Hier und da hat es äußerst beunruhigende Gerüchte gegeben. Was mich betrifft, so bestätigen mir Eure Worte, was ich schon lange von dieser Frau vermutete. Nicht einer der Edlen, die für ihre Krönung stimmten, ist von der Art, die ich freiwillig in mein Haus einladen würde. Ehrgeizige, selbstsüchtige, einfältige Burschen allesamt, die der Ansicht sind, mehr Ansehen und Macht verdient zu haben. Das muß es sein, was sie ihnen verspricht. Natürlich taten noch andere, durchaus unschuldige Leute es ihnen gleich, aus aufrichtigem, wenn auch fehlgeleitetem Idealismus. Sie betrachten sie al s eine Art lebende Göttin, die Personifikation all ihrer edelsten Träume und Hoffnungen. Ihre Schönheit, nehme ich an, hat viel damit zu tun. Wie auch immer, es bedurfte nicht Eurer dramatischen Anklagen heute, um mich zu überzeugen, daß wir nur noch um Haaresbreite von einer Tyrannei entfernt sind. Schon jetzt spricht sie (wenn auch zuckersüß) von Neidern in den anderen Reichen, und wie wir uns besser schützen müßten .«
»Frauen werden von Männern immer unterschätzt«, bemerkte Alisaard nicht ohne einen Anflug von Selbstgefälligkeit, »und das befähigt sie oft, größere Macht zu erwerben, als die Männer ahnen. Das ist eine Tatsache, auf die ich bei meinem Studium der Historie wie auch bei Fahrten durch die verschiedenen Reiche immer wieder gestoßen bin.«
»Glaubt mir, Madame, ich unterschätze sie nicht«, antwortete der Meister der Schriften und bedeutete uns, an einem langen Tisch aus polierter Eiche Platz zu nehmen. »Ihr werdet Euch erinnern, Prinz Flamadin, daß ich Euch warnte, vorsichtiger zu sein. Aber Ihr wolltet nicht an die Intrigen Eurer Schwester glauben, an ihre Hinterlist. Sie behandelte Euch eher wie ein bevorzugtes Kind, einen wilden Sohn, denn als Bruder. Und das gab Euch die Möglichkeit, auf der Suche nach Abenteuern durch die Welt zu ziehen, während sie mehr und mehr Verbündete um sich sammelte. Selbst dann hättet Ihr kaum den Grad ihrer Verderbtheit erkannt, hätte sie nicht die Geduld mit Euch verloren und Euch befohlen, sie zu heiraten, um ihre Stellung zu festigen. Sie nahm an, Euch kontrollieren oder wenigstens vom Hof fernhalten zu können. Statt dessen habt Ihr Euch gegen sie gestellt. Gegen ihren Ehrgeiz, ihre Methode, ihre ureigene Philosophie. Sie versuchte, Euch zu überzeugen, soviel weiß ich. Was geschah dann?«
»Sie versuchte mich umzubringen.«
»Und ließ ausstreuen, Ihr wäret der verhinderte Mörder. Daß Ihr all unsere Ideale und Traditionen vernichten wolltet. Es ist beinahe so, als wäre sie eine Reinkarnation von Sheralinn, jener Königin der Valadek, die den Graben dort draußen mit dem Blut derer füllen ließ, die sie für ihre Feinde hielt. Vieles von dem, was heute von Euch gesagt wurde, hatte ich bereits erraten, aber ich wäre so schnell nicht auf den Gedanken gekommen, daß sie tatsächlich vorhatte, die Herrschaft Eurer Familie wieder aufzurichten. Und Ihr sagt, sie bemüht sich um die Unterstützung des Chaos? Seit dem Krieg der Zauberer, vor mehr als tausend Jahren, hat das Chaos keinen Einlaß mehr in die Sechs Reiche gefunden. Es ist gefangen in der Nabe des Rades, in den AlptraumZonen. Wir leisteten einen Eid, es niemals mehr freizulassen.«
»Wie ich gehört habe, steht sie bereits mit dem Erzherzog Balarizaaf vom Chaos in Verbindung. Sie braucht seine Hilfe bei der Verwirklichung ihrer ehrgeizigen Pläne.«
»Und was würde wohl ein Erzherzog als Preis verlangen, frage ich mich?« Der Meister der Schriften war jetzt noch mehr beunruhigt.
»Einen hohen, würde ich sagen«, meinte Landesprinz Ottro ruhig. Entschlossen verschränkte er die Arme vor der Brust.
»Gibt es solche Geschöpfe tatsächlich?« erkundigte sich
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