Der ewige Krieg 01 - Der ewige Krieg
der Substanz.
»Nur emotional stabile Personen werden zur UNAS eingezogen. Ich weiß, daß Sie es schwierig finden werden, die Vorstellung zu akzeptieren, aber Heterosexualität wird als eine emotionale Fehlfunktion betrachtet. Sie ist übrigens relativ leicht zu beheben.«
»Wenn man glaubt, man müsse mich heilen …«
»Beruhigen Sie sich, Sie sind zu alt.« Er nippte vorsichtig von seinem Getränk. »Es wird nicht so schwierig sein, mit den Leuten auszukommen, wie Sie vielleicht …«
»Warten Sie. Sie meinen, daß niemand … daß alle in meiner Kompanie homosexuell sind? Alle bis auf mich?«
»Hören Sie, alle Welt ist homosexuell. Auf der Erde gibt es gar keine anderen mehr; abgesehen von ein paar tausend Veteranen und Unheilbaren.«
»Ach.« Was konnte ich sagen? »Eine ziemlich drastische Methode, um das Problem der Überbevölkerung zu lösen.«
»Vielleicht. Aber sie wirkt. Die Erdbevölkerung ist jetzt bei knapp einer Milliarde Menschen stabil. Es gibt genug Raum, die Natur kann sich erholen, Probleme wie die der Massenarbeitslosigkeit und des Hungers existieren nicht mehr. Wenn jemand stirbt, wird ein neuer Mensch ins Leben gerufen.«
»Nicht ›geboren‹?«
»Doch, selbstverständlich, aber nicht in der herkömmlichen Art und Weise. Früher wurde das neue Prinzip mit Begriffen wie ›Kinder aus dem Reagenzglas‹ diffamiert, aber mit Reagenzgläsern hat das Ganze natürlich wenig zu tun.«
»Nun, das ist immerhin etwas.«
»Zu jeder Kinderkrippe gehört ein künstlicher Mutterleib, worin das ebenfalls künstlich befruchtete Ei sich über die embryonalen Zwischenstadien bis zum fertigen Menschen entwickelt. Der gesamte Vorgang kann ständig beobachtet und überwacht werden, also lassen sich Störungen und Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und gegebenenfalls korrigieren. Was Sie Geburt nennen würden, ist ein Prozeß, der sich über mehrere Tage erstreckt, nicht mehr das plötzliche drastische Ereignis, das es einst zu sein pflegte.«
Schöne neue Welt, dachte ich. »Keine traumatischen Geburtserlebnisse. Eine Milliarde vollkommen angepaßter Homosexueller.«
»Vollkommen angepaßt nach den Maßstäben der Gegenwart. Sie und ich könnten die Leute ein bißchen komisch finden.«
»Das ist eine Untertreibung.« Ich trank den Rest meines Bieres. »Und Sie selbst, wenn ich fragen darf … äh … sind Sie homosexuell?«
»O nein«, sagte er. Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Hüfte, und es gab dabei ein komisches Geräusch. »Ich bin gar nichts mehr. Wurde verwundet, und es stellte sich heraus, daß ich eine seltene Störung des Lymphsystems habe, die eine Regeneration von Körpergewebe unmöglich macht. Vom Hüftbecken abwärts ist alles Metall und Plastik. Um Ihren Ausdruck zu gebrauchen, ich bin ein Roboter.«
Ich winkte dem Kellner und bestellte auch einen Rum Antares. Es war grotesk. Da saß ich nun mit einem asexuellen Schwerbeschädigten, der wahrscheinlich die einzige andere normale Person auf dem ganzen verdammten Planeten war.
»Machen Sie einen doppelten daraus, bitte!« rief ich dem Kellner nach.
2
Sie sahen normal genug aus, als sie am folgenden Tag in den Versammlungssaal kamen, wo wir die erste Heerschau abhielten. Etwas jung und ein wenig steif und unbeholfen.
Die meisten von ihnen waren erst seit sieben oder acht Jahren aus der Kinderkrippe. Die Krippe war eine kontrollierte, isolierte Umgebung, zu der nur wenige Spezialisten – hauptsächlich Pädiater und Lehrer – Zutritt hatten. Wenn ein Mensch mit zwölf oder dreizehn Jahren die Kinderkrippe verläßt, wählt er einen Vornamen (sein Nachname kommt von dem Spender-Elternteil mit der höheren genetischen Einstufung) und ist nach dem Gesetz ein Erwachsener auf Probe, mit einer Schulbildung, die ungefähr dem entspricht, was man in meiner Jugendzeit die Mittlere Reife nannte. Die meisten von ihnen lernen weiter oder bekommen eine mehr spezialisierte Ausbildung, aber manche bekommen einen Arbeitsplatz zugewiesen und gehen gleich in den Beruf.
Alle Absolventen der Kinderkrippe werden sehr sorgfältig beobachtet, und jeder, der irgendwelche Anzeichen von Soziopathie zeigt, wie sie sich etwa in heterosexuellen Neigungen ausdrückt, wird in eine Korrektivinstitution eingewiesen. Dort wird er entweder geheilt oder für den Rest seines Lebens verwahrt.
Im Alter von zwanzig Jahren wird jeder eingezogen. Die meisten Wehrpflichtigen arbeiten nach der Grundausbildung fünf Jahre an einem Schreibtisch und kommen
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