Der ewige Krieg 02 - Am Ende des Krieges
»Nein. Ich nehme das Blatt mit in die Schule und scanne es nach dem Unterricht in der Bibliothek.«
»Danke«, sagte ich. »Das wird alle offenen Fragen klären.«
»Ach, Dad. Manchmal sind sie gar nicht so abartig, wie du immer tust.« Sie erhob sich. »Ich schaue mal nach dem Hähnchen. Es müsste fast fertig sein.«
Es war ein Festessen. Sie hatte Kartoffeln und Karotten mit Knoblauchbutter und Kräutern in Folie gewickelt und in der Glut gebacken.
Die Kinder unterhielten sich angeregt. Marygay und ich blieben ziemlich einsilbig. Nach dem Abendessen hockten wir zwei Stunden vor dem Würfel. Eine Eisrevue. Ich wärmte den Punsch noch einmal auf.
Als wir uns droben bettfertig machten, begann sie endlich zu weinen. Stumm wischte sie sich die Tränen von den Wangen.
»Darauf war ich einfach zu wenig gefasst. An die Taurier hatte ich nicht gedacht. Der Mensch reagiert im Allgemeinen mit Vernunft und Logik.«
Wir krochen unter Laken, Decke und Federbett und rückten der Kälte wegen eng zusammen. »Noch zwanzig Monate in dieser Eishölle«, murmelte sie.
»Nicht für uns«, erklärte ich.
»Wie meinst du das?«
»Zum Henker mit den Tauriern und ihrer Geheimniskrämerei! Wir kehren ganz einfach zu Plan A zurück.«
»Plan A?«
»Wir entführen die Kiste.«
*
Sara brachte mittags die Übersetzung der Taurier-Zeilen heim. »Die Bibliothekarin erklärte mir, es handle sich um eine rituelle Formel, vergleichbar mit dem Ende eines Gebets: ›Im Innern des Fremden unbekannt; im Innern des Unbekannten unbegreiflich.‹ Sie meinte aber, das sei nur eine Annäherung. Es gäbe in unserer Sprache keine exakte Übersetzung für die Begriffe.«
Ich suchte einen Stift, ließ sie die Worte langsam wiederholen und malte sie in Blockschrift auf die Rückseite des Dokuments. Sara ging in die Küche und begann ein Sandwich herzurichten. »Wow! Was machst du denn da?«
»Bis vier Uhr liegt nichts Besonderes an. Deshalb nahm ich mir vor, alles gleichzeitig zu erledigen.« Aus einem dunklen Impuls heraus hatte ich sämtliche Feld- und Fischereigeräte, die so etwas wie eine Schneide oder Spitze besaßen, nach drinnen gebracht, um sie zu säubern und zu schärfen. Sie türmten sich in blitzenden Stapeln auf dem Esstisch. »Ich schiebe das vor mir her, seit es im Schuppen zu kalt für solche Arbeiten ist.«
Ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand so früh heimkommen würde. Aber Sara ging nur mit einem Kopfnicken an dem Stapel vorbei. Da sie täglich mit den Geräten in Berührung kam, kam ihr gar nicht in den Sinn, sie als Waffen zu betrachten.
Wir verbrachten unsere Mittagspause lesend und in friedlichem Schweigen, umgeben von Äxten und Landungshaken.
Als sie mit ihrem Sandwich fertig war, schaute sie mich ruhig an. »Dad, ich möchte mitkommen.«
»Wohin?«, fragte ich verwirrt.
»Auf die Erde. Du bist doch sicher einer der siebzehn, oder?«
»Deine Mutter und ich, ja. Das stand in dem Schreiben. Sie erwähnten allerdings nicht, welche Kriterien die restlichen fünfzehn erfüllen müssen.«
»Vielleicht lassen sie dich die Auswahl treffen.«
»Vielleicht. In diesem Fall stehst du ganz oben auf meiner Liste.«
»Danke, Dad.« Sie küsste mich auf die Wange, packte eilig ihre Sachen zusammen und machte sich wieder auf den Weg zur Schule.
Ich grübelte, ob ich auch zwischen ihren Worten das Richtige herausgehört hatte – oder ob sie irgendwie Bescheid wusste. Väter und Töchter liegen nur selten auf einer Frequenz, wenn es nicht gerade um Fremdweltler-Sprachen oder heimliche Verschwörungen geht.
Marygay und mich hatten sie ganz klar deshalb ausgewählt, weil wir die einzigen Überlebenden aus der Zeit vor dem Ausbruch des Ewigen Krieges waren und uns noch gut an sie erinnern konnten. Man würde unsere Eindrücke mit Interesse beobachten. Die übrigen fünfzehn Plätze losten sie vermutlich unter den übrigen Bewerbern für die Reise aus – aller Voraussicht nach etwa die Hälfte der Planetenbewohner.
Natürlich würde diese Reise nie stattfinden. Das Schiff würde nach oben stechen und ins Nichts beschleunigen. Mit Sara an Bord, wie ursprünglich geplant.
Ich breitete den überarbeiteten Plan aus, den sie noch einmal sauber abgeschrieben hatte, und beschwerte die vier Ecken mit Salz- und Pfefferstreuer sowie zwei gefährlich scharfen Messern.
Es war entmutigend. Tausend Dinge, die zum Raumhafen gebracht und an Bord des Sternenschiffes verladen werden mussten. Diesen Teil der Aktion würden sie nun
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