Der ewige Krieg 02 - Am Ende des Krieges
Habt ihr dafür eine wissenschaftliche Erklärung?« Einstein legte sich ein drittes Auge zu und blinzelte damit.
»Nein. Das Schiff sprach von einem Grenzfall der virtuellen Teilchensubstitution, aber wenn ich die entsprechende Literatur richtig verstanden habe, trifft das hier nicht zu. Jedenfalls schafften wir es gerade noch, die Rettungsboote zu besteigen und nach Mittelfinger zurückzukehren. Bei unserer Ankunft fanden wir den Planeten verlassen vor. Wenn man die Relativität mit einrechnet, verschwanden sie zur gleichen Zeit wie unsere Antimaterie.
Wir nahmen an, dass uns die Abwesenheit von Mittelfinger gerettet hatte. Aber hier auf der Erde geschah offensichtlich das Gleiche.«
Er zupfte an seinem kräftigen Schnurrbart. »Vielleicht habt ihr die ganze Sache ausgelöst.«
»Wie das denn?«
»Du hast die These eben selbst aufgestellt. Wenn zwei unwahrscheinliche Dinge gleichzeitig geschehen, muss es eine Beziehung zwischen ihnen geben. Vielleicht hat eins das andere ausgelöst.«
»Falls der Start und die Beschleunigung eines Raumschiffs mit einer Gruppe von Meuterern an Bord der Auslöser für eine Reihe von unmöglichen Ereignissen gewesen wären, hätten wir das lange vorher bemerkt.«
»Aber ihr hattet kein bestimmtes Ziel vor Augen. Außer die Zukunft.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Universum groß um unsere Absichten schert.«
Einstein lachte. »Das ist wieder dein Glaubenssystem. Du hast eben den Begriff ›unmöglich‹ zur Beschreibung von Ereignissen verwendet, die, wie du weißt, tatsächlich stattgefunden haben.«
Gat hatte unseren Dialog amüsiert verfolgt. »Du musst zugeben, dass er damit nicht ganz unrecht hat.«
»Meinetwegen. Aber die zweite Anomalie ist, dass ihr Typen immer noch herumhängt, während sämtliche Menschen und Taurier verschwunden sind. Also habt ihr vielleicht Tag X zu verantworten.«
Er verwandelte sich in einen imposanten Indianer, vermutlich einen Timucua-Krieger, geschmückt mit kunstvollen Tätowierungen, splitternackt und nach nasser Ziege riechend. »So ist es schon besser. Obwohl ich mich noch genauer nach diesem Grenzfall der virtuellen Teilchensubstitution erkundigen werde. Einige von uns kennen sich in Naturwissenschaften ganz gut aus.«
»Kannst du jetzt Kontakt zu ihnen aufnehmen?«, erkundigte sich Cat. »Eine Art telepathische Verbindung?«
»Nein, es sei denn, sie befinden sich in meiner Sichtlinie. So wie ich mit eurem Schiff Kontakt aufnahm. Früher konnten wir uns gegenseitig anrufen, aber immer mehr Systeme versagen. Wir hinterlassen inzwischen Botschaften beim Großen Baum.«
»Antres und ich sollten uns auch wieder mal in den Großen Baum einklinken«, sagte der Sheriff.
»Insbesondere in den Taurier-Baum«, meinte der edle Krieger. »Wir können zwar hineinhorchen, aber vieles ist verwirrend.«
»Ich fürchte, auch für mich ist vieles verwirrend«, sagte Antres. »Ich stamme von Tsogot. Wir sind – oder waren – in Kontakt mit der Erde, aber unsere Zivilisationen entfernen sich seit Jahrhunderten voneinander.«
»Das könnte nützlich sein.« Der Indianderkrieger verwandelte sich in einen mild dreinblickenden alten Mann. »Eine doppelte Fremdweltler-Perspektive.« Er kramte eine blaue Zigarettenschachtel hervor und steckte sich eine in gelbes Papier gewickelte Fluppe an, die noch krasser stank als ihre Vorgängerin. Ich sortierte die gütigen Großväter in meinem Gedächtnis und kam auf Walt Disney.
»Weshalb stammen so viele deiner Gestalten aus der Zeit um die Wende vom zweiten zum dritten Jahrtausend?«, fragte ich ihn. »Liest du etwa meine und Marygays Gedanken?«
»Nein, das kann ich nicht. Aber ich mag diese Epoche – das Ende der Unschuld, kurz vor dem Ausbruch des Ewigen Krieges. Danach wurde alles irgendwie kompliziert.« Er nahm einen tiefen Zug und schloss genießerisch die Augen. »Und anschließend wurde es zu einfach, wenn ihr mich fragt. Wir warteten alle mehr oder weniger darauf, dass dieses neue Menschenmodell auslaufen würde.«
»Es hielt sich so lange, weil es funktionierte«, warf der Sheriff gelassen ein.
»Termitenkolonien funktionieren auch«, sagte Disney. »Deshalb entwickeln sie noch lange keine aufregenden neuen Ideen.« Er wandte sich an Antres: »Ihr Taurier habt vor der Ära des Gruppenbewusstseins auch sehr viel mehr interessante Dinge auf die Beine gestellt. Ich war mal auf Tsogot, als Xenosoziologe, und habe mich eingehend mit eurer Geschichte befasst.«
»Das ist doch
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