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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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gleich am nächsten Tag begonnen hatte, den Wandschrank zu bauen, in dem er fortan schlafen sollte. Er war sich nicht sicher, wann das Ritual mit dem Rasiermesser begonnen hatte, aber es musste bald danach gewesen sein.
    Während des restlichen Weges zum Bahnhof Gare du Nord versuchte er zu entscheiden, wie er mit Soames verfahren sollte. Für ihn war es, als wollte er einen Nagel in eine Lache aus Quecksilber schlagen. Sie anzurufen hieße, Victor in seiner Nähe zu haben – aber es konnte auch später seine Beweglichkeit einschränken. Wenn er nicht anrief und allein aufbrach, hätte Victor schon sehr bald keinen Grund mehr, sie am Leben zu lassen. Ein Bild drängte sich in seine Gedanken: Victor schlich sich von hinten an eine arglose Soames an, packte sie beim Haar, holte mit dem anderen Arm aus und versenkte ein Messer in ihrer Brust. Diese Vorstellung ließ ihn immer langsamer gehen, bis er stehen blieb. Hier ging es nicht um gedankliche Schärfe und ausgeklügelte Strategien. Dies hier war schwieriger, ungeordneter – es kam vom Herzen, nicht aus dem Kopf.
    Er hörte Corleys Stimme: Geiger, haben Sie das Gefühl, von anderen Menschen abgetrennt zu sein? , und seine Antwort hatte gelautet: Martin, wenn Sie nie verbunden waren, können Sie nicht abgetrennt sein .
    Etwas hatte sich geändert.
    Das Zischen des Springseils hielt ein konstantes Tempo ein – viermal pro Sekunde schlug es auf dem Boden. Schnell genug, um ihr Herz auf Touren zu bringen, aber ohne dass sie in einen Bereich kam, wo sie nicht mehr denken konnte. Auf der Straße unter dem Fenster gab es kaum Verkehr. Nur drei Fenster von Geigers Hotel waren erleuchtet.
    Victor hatte angerufen und ihr mitgeteilt, er sei auf dem Rückweg. Er habe weder Dewey noch den Wagen gefunden. Kaum hatte Zanni aufgelegt, als sie entschied, dass sie das große Bild im Auge behalten musste und nichts sich ändern werde. Sie würden mit einem Mann weniger agieren müssen, wobei sie davon ausging, dass Geiger nicht sowieso schon in den Wolken war und in zehntausend Metern Höhe aus einem Fenster blickte. Fürs Erste würde sie ihren Bruder zusammen mit ihrer Angst und den Bildern in ihrem Kopf in einer Schachtel ablegen – sie hatte gesehen, wozu Geiger in der Lage war. Falls Dewey nach Abschluss des Einsatzes noch nicht wieder aufgetaucht war, würde sie hineinblicken – doch bis dahin durfte sie sich in ihrer Konzentration nicht beirren lassen.
    Sie ging in einen anderen Modus über, bei dem sie die Füße abwechselnd heben musste. Die Sohlen berührten leicht den Boden, die Szenerie vor dem Fenster tanzte vor ihr auf und ab, sie hörte ihr Keuchen. Sosehr sie es auch versuchte, sie konnte sich Geiger nicht als Mörder vorstellen. Nicht von seiner Natur und auch nicht von der Situation her. Wenn er Dewey enttarnt hatte, wieso sollte er ihn töten? Welchen Zweck hätte das gehabt? Dann fielen ihr Hall und seine Leute ein, die Geiger hatten fassen wollen – von ihnen war keiner zurückgekehrt.
    Sie hatte das Nextel-Handy direkt vor sich auf das Fensterbrett gelegt. Als es klingelte, ließ sie das Springseil mitten im Schwung fallen und starrte das Handy an. Ihre Brust hob und senkte sich, der Puls pochte in ihren Schläfen. Sie ließ es ein zweites Mal klingeln, damit ihr Atem sich beruhigte, dann hob sie ab.
    »Geiger …?«
    »Ja.«
    »Wo sind Sie?«
    »Ich steige gleich in den Zug nach Avignon.«
    »Also ziehen wir an einem Strang?«
    »So war es doch geplant, Soames – oder nicht?«
    Bei dieser Frage kniff Zanni die Augen zusammen. »Ja, das war der Plan.« Mit der freien Hand wischte sie sich den Schweiß von den Augen. »Wann kommen Sie an?«
    »Ein Uhr sechsundfünfzig.«
    »Wir brechen sofort auf. Mit dem Auto dauert es doppelt so lange.«
    »Ich rufe wieder an, sobald ich die Anweisungen aus dem Schließfach geholt habe.«
    »Okay.« Sie grub in ihren Emotionen, um herauszufinden, weshalb sie keine Erleichterung empfand.
    »Sie haben nicht erwartet, dass ich anrufe, Zanni.«
    »Ich war mir nicht sicher. Ich habe Sie gestern Abend aufbrechen sehen …«
    »Das weiß ich.«
    »Also gut: Ich war mir nicht sicher, ob Sie zurückkommen.«
    »Ich habe mir die Stadt angesehen. Ich war noch nie in Paris.«
    Sie gestattete sich ein schmales Lächeln. »Hat Ihnen etwas besonders gefallen?«
    »Ich muss einsteigen. Ich rufe aus Avignon an.«
    »Okay.«
    Sie legte auf, ging ins Badezimmer und drehte die Dusche auf. Einen Moment lang hielt sie inne und musterte

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