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Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
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Seine Jacke mit dem roten Schriftzug eines christlichen Bowlingklubs hatte er sich über die Schulter geworfen, um den Hals hing eine Kamera, und er sah sehr unglücklich aus.
    »Äh … Est-ce que vous – uh – savez où est … äh …« Sein Vokabular ließ ihn im Stich, und murmelnd zog er ein Englisch-Französisch-Wörterbuch aus der Gesäßtasche, leckte sich den Daumen und begann darin zu blättern. »Pardon … un moment …«
    Geiger ließ es geschehen, damit er einen Eindruck bekam. Der Mann wirkte fit und hart für jemanden über vierzig, und seine Nase war in der Vergangenheit einmal übel gebrochen gewesen. Zweifellos kam er infrage.
    »Ah!«, rief der Mann und tippte auf die Seite. »Bureau des objets trouvés!« Er blickte hoffnungsvoll hoch. »Objets trouvés, Monsieur?«
    »Ich spreche kein Französisch.«
    Das Gesicht des Mannes spaltete sich in ein zahnreiches Lächeln wie das einer Kürbislaterne. »Ein Amerikaner! Das ist ja super! O Herr, ich danke dir!« Er streckte die Hand vor und bekundete seine Verbundenheit, indem er Geiger kurz und kräftig am Arm schüttelte. »Calvin Haas aus Bellevue, Nebraska – bin echt total erfreut, Sie kennenzulernen. Gelobt sei Jesus Christus.«
    Geiger nickte.
    »Also was ich fragen wollte: Wissen Sie, wo das Fundbüro ist? Ich hab irgendwo meine Brieftasche liegen lassen oder sie verloren …« – er zeigte ein verlegenes Grinsen und zuckte mit den Schultern –, »oder die Taschendiebe haben mir den dämlichen Touri schon auf eine Meile angesehen …«
    Das Grinsen, mit dem er sich Salz in die Wunde streute, und das Achselzucken waren es, was Geiger überzeugte. Der Mann war, was er zu sein vorgab. Ein Pechvogel mit großem Herzen und kleinem Wortschatz. Und ohne Brieftasche.
    »Ich glaube, ich habe ein Schild gesehen, Calvin.« Geiger deutete in den Gang. »Dort drüben.«
    »Ja? Na, danke, Mensch. Also echt.« Er lächelte Geiger an und machte sich auf den Weg. »Drücken Sie mir die Daumen.«
    »Viel Glück, Calvin.«
    Geiger suchte nach einem Schild mit dem Begriff, den er online gefunden hatte: consigne de bagages. Der Pfeil wies nach links. Er fühlte sich gelockert, geschmeidig, im Fluss des Geschehens. Schon bald würde die Geschwindigkeit, mit der die Zeit verstrich, sich ändern – sie würde schneller laufen, sich zum Schneckentempo verlangsamen, zum Stehen kommen, wieder beschleunigen … Wie ein Rodeoritt – man versuchte, im Sattel zu bleiben, mit Körper und Verstand auf das Tier zu reagieren und nicht abgeworfen zu werden.
    Die Schließfächer, sechs Reihen zu drei Türen, waren in einem hellen Blaugrün gestrichen und befanden sich in einem schattigen, zurückgesetzten Wandabschnitt. Geiger nahm den Schlüssel mit dem roten Plastikgriff aus der Tasche. Nummer 27 lag am Ende der Reihe, das mittlere Fach. Er drehte sich um, musterte seine Umgebung, wartete, bis so gut wie niemand in der Nähe war, schob den Schlüssel ins Schloss und öffnete das Schließfach. Darin lagen ein Briefkuvert und eine kleine Holzschatulle, wie man sie auf Schlafzimmerkommoden zur Aufbewahrung von Ohrringen oder Broschen finden konnte. Geiger nahm den Umschlag und zog ein einzelnes maschinenbeschriebenes Blatt Papier heraus.
    Mein lieber Geiger!
    Gehen Sie an den Tresen von ›Taxi Provencal‹. Man erwartet Sie dort unter dem Namen ›Ezra‹. Der Fahrer hat Anweisungen, wohin er Sie bringen soll.
    Doch öffnen Sie zuerst die Schatulle. Betrachten Sie den Inhalt als eine Mahnung, dass es mir ernst ist mit meinen Drohungen. Ich entschuldige mich für diese Grobschlächtigkeit und bemühe mich, meinen Mangel an Stil mit Stil wiedergutzumachen – mit einer französischen Schnupftabakdose aus dem 19. Jahrhundert. Gewiss entgeht Ihnen nicht die Doppeldeutigkeit, denn das englische Wort ›snuff‹ bedeutet nicht nur Schnupftabak, sondern auch vulgär: jemanden abzumurksen. Finden Sie es nicht auch passend? Und recht teuer war sie. Ich finde sie charmant.
    Geiger griff in das Schließfach und nahm die acht mal sechs Zentimeter lange Schatulle aus polierter Eiche heraus. Der Deckel war mit einem kunstvollen ovalen Mosaik aus winzigen rautenförmigen Intarsien aus Perlmutt und Saphir verziert. Geiger fuhr mit den Fingern über das Werk. Die Handwerkskunst war überragend und von einem geduldigen Mann voll Leidenschaft geschaffen worden. Ein Detailversessener, wie Harry zu sagen pflegte. Geiger drehte die Schatulle um. In den Boden waren drei

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