Der Experte: Thriller (German Edition)
Nachdem sie so lange kein Lebenszeichen mehr von Dewey erhalten hatten, nahm er vermutlich an, dass er nicht mehr lebte und höchstwahrscheinlich Geiger der Grund dafür war. Victors Hauptsorge musste folglich in der Frage bestehen, wie viel Dewey gestanden hatte, ehe er starb. Was wusste Geiger? Die größte Ironie dabei war – das musste auch dem Franzosen aufgefallen sein –, dass Victor nicht mit gleichen Mitteln zurückschlagen konnte. Seine Aufgabe bestand darin, Geiger lebend zu Dalton zu schaffen, und zwar unversehrt, im Eins-a-Zustand.
Victor nahm die Tasche und schloss den Kofferraum. »Fertig.«
Zanni drückte auf den Schlüssel in ihrer Hand, die Türschlösser verriegelten sich, und ohne ein Wort machte sie sich an den Aufstieg. Die beiden Männer folgten ihr. Unter ihren Schuhen knackte kaum hörbar der Nadelteppich am Boden. Einige Vögel trillerten wechselweise im hohen Geäst – liebliche, kurze Tonfolgen. Geiger sah hoch. Die Laute erinnerten ihn an etwas, doch er kam nicht darauf, was es war.
Zanni sah sich zu den beiden Männern um. »Wir gehen zur Kuppe und schauen, inwieweit wir das Gebäude von dort einsehen können.«
In diesem Moment erinnerte sich Geiger. Die Glöckchen auf Christines Terrasse … In Gedanken kehrte er ins Schlafzimmer zurück. Christine lag schlafend und warm neben ihm, ihre Hand in seiner, als hätte ein einsamer Teil von ihr einen Ort gefunden, wohin er gehörte …
»Danach gehen wir an den Punkt am Waldrand, wo wir am dichtesten am Haus sind.«
… während seine Mutter in ihm zum Leben erwachte, und mit ihrer Wiederauferstehung kam das Wissen zu ihm zurück, dass er geliebt worden war …
»Wenn wir entdecken, dass wir von irgendwo eine Schusslinie haben, wissen wir zumindest, dass uns diese Möglichkeit bleibt.«
… und dass sein schlichtes Dasein einen anderen Menschen glücklich gemacht hatte.
»Ja«, sagte Victor, »das wäre gut zu wissen.«
Zanni starrte Geiger an und wartete auf eine Antwort. »Was halten Sie von einem gezielten Todesschuss, wenn sich die Möglichkeit bietet, Geiger?«
»Wie Sie schon sagten – er wäre eine Möglichkeit.«
Sie waren wie eineiige Zwillinge, die sich in ihrer privaten Geheimsprache miteinander unterhielten. Und sie sprachen nicht über Dalton.
Zanni nickte, und sie stiegen weiter auf. Während sie sich zwischen den Kiefern hindurchwanden, hörte Geiger ein gedämpftes Stöhnen von Victor. Seine Knie machten ihm Beschwerden.
»Entschuldigung«, sagte der Mann im grauen Anzug und drückte sich gegen Ezra.
Die U-Bahn war bereits voll gewesen, als Ezra und seine Mutter an der 68th Street einstiegen, und jetzt drückte sich die 42nd-Street-Horde in die Waggons. Niemand wollte auf die nächste Bahn warten.
»Alles okay?«, fragte seine Mutter.
Ezra warf ihr einen düsteren Blick zu. »Ja, Mom. Alles okay.« Er hatte seine finstere Miene schon aufgesetzt, bevor sie die Wohnung verließen, und nun war sie zu einem Dauerzustand geworden.
»Du kannst jetzt ruhig aufhören, so grimmig dreinzusehen«, sagte sie. »Ich habe kapiert, was du davon hältst.«
»Das ist eine schlechte Idee. Eine richtig schlechte Idee.«
»Ez …«
Er schüttelte den Kopf. »Mom … Hinzugehen und mit denen zu reden. Ihnen Informationen zu geben. Ihnen Dinge zu erzählen, die sie vielleicht nicht wissen. Ja, vielleicht sind sie eine Hilfe. Aber vielleicht lassen sie uns alle dann auch nie wieder in Ruhe.«
»Du kannst die richtige Antwort aber nicht wissen.«
»Vielleicht nicht. Aber Geiger kennt sie, und wenn er es für eine gute Idee gehalten hätte, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, dann hätte er es getan.«
»Hat Geiger immer recht?«
»Ganz im Ernst – ja, hat er. Er weiß immer, was zu tun ist.«
Mit einem Ruck setzte sich der Zug plötzlich wieder in Bewegung, und die aneinandergepressten Körper schwankten ein paar Zentimeter – aber es gab keinen Grund zur Besorgnis, dass jemand sein Gleichgewicht verlieren könnte.
»Ezra, ich kann das nicht einfach diesem Mann überlassen, den ich nie kennengelernt habe. Nicht, wo es um die Sicherheit deines Vaters geht. Und auch um Harrys Sicherheit. Es gibt Leute, die besser wissen, wie man sich in solch einer Situation verhält.«
»Ja, das stimmt. Aber das ist es ja gerade, Mom. Wir wissen nicht, ob sie die Guten sind oder die Bösen. Am Ende könnten wir Typen wie Hall helfen, sie zu finden.« Er versuchte, sich um ein paar Grad zu drehen, doch es gelang
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