Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Experte: Thriller (German Edition)

Der Experte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Experte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Allen Smith
Vom Netzwerk:
hatte, seit sie einander zum ersten Mal begegnet waren.

31
    Sie schnarchte, und dennoch glichen ihre Laute kaum dem, was man gemeinhin als Schnarchen bezeichnen würde. Von dem undeutlichen An- und Abschwellen, dieser Art Flügelschlag, wäre er nicht aufgewacht, wenn er geschlafen hätte. Bei jeder Regung strich ihm ihr warmer Atem über die Wange.
    Zanni lag halb auf ihm, ein Arm und ein Bein über ihn geschlagen, ihr Kopf neben seinem auf der Stütze des Sitzes. Seit zwanzig Minuten schlief sie, und er hatte nach seiner und ihrer Jacke greifen können, ohne sie zu wecken, und beides über ihre schlanke Nacktheit gebreitet, von der Taille bis zu den Socken.
    Die Zeit hatte er genutzt, um sich das Finale auszumalen. Anfang – Mitte – Ende.
    Dalton und er hatten Folter angewandt, um Informationen zu erlangen, ein Vorgang, der von Natur aus unpersönlich war; dies galt zumindest für Daltons Ansatz. Was immer Dalton nun plante, es umfasste einen Aspekt, der über physischen Schmerz hinausging. Dalton war auf mehr als nur Leid aus.
    Rache war ein Schlüsselelement in seiner Motivation, doch es schwang noch etwas anderes mit, etwas Unheilvolles und doch so Hauchzartes, dass Geiger es nicht zu benennen vermochte. Man steht an einer Straßenecke in der Stadt, von Aromen umgeben – den Abgasen eines vorbeifahrenden Busses, pikantem Essensduft aus einem Fenster, heißem Teer in einem aufgefüllten Schlagloch –, und ein anderer Geruch ist mit untergemischt. Man nimmt ihn wahr, schmeckt ihn beinahe auf der Zunge. Man hebt die Nase, dreht langsam den Kopf. Der Geruch ist gleich bei einem. Er ist erkennbar. Aber benennen kann man ihn nicht.
    Er hörte an Zannis Atmen, dass sie gleich erwachen würde. Sie setzte sich auf, blickte auf ihre Uhr, dann sah sie Geiger an.
    »Ich bin eingeschlafen.«
    »Für etwa zwanzig Minuten.«
    Es waren die ersten Worte, die fielen, seit sie ihn in sich aufgenommen hatte. Die Stille war durch einen langen, wogenden Schall aus Geräuschen gebrochen worden, aber kein einziges Wort.
    Geiger sah, wie sich ihre Unterlippe beinahe unmerklich bewegte – um eine Winzigkeit nach unten. Diesen »Tell« hatte er schon tausendmal im Gesicht eines Jones gesehen. Zanni hatte etwas anderes erwidern wollen, aber innegehalten, um es noch einmal zu überdenken, und dann entschieden, es unausgesprochen zu lassen.
    Sie nahm ihren Slip und ihre Hose vom Boden und öffnete die Tür. »Ich muss mal.« Sie stieg aus und ging ein paar Schritte, dann blieb sie stehen und kauerte sich nieder.
    Geiger trat hinaus und ging etwa zehn Meter nach Osten, bis er ein gutes Stück Himmel durch die Bäume sehen konnte, und betrachtete die schwache, verschwommene Trennlinie zwischen dem tintigen Blau und dem tiefen Schwarz der Nachbarhügel. In frühestens einer weiteren Stunde würde man die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erkennen.
    Im Geiste spielte er Daltons Video noch einmal ab und versuchte, das Spiel zu verstehen, das darin vorging. Zanni würde er nicht einplanen. Falls ihre Gegenwart Auswirkungen haben sollte, wollte er sich später damit befassen, aber nicht jetzt. Er hatte nur eine Spielmarke, nur einen einzigen Jeton, um die Männer lebend herauszuholen: Nur er, Geiger, konnte liefern, was Dalton wollte. Und Dalton konnte es ihm nicht abnehmen. Geiger musste es ihm geben .
    Es klopfte an der Tür.
    »Ez …« Die Stimme seiner Mutter klang dünn und müde. »Du bist noch auf, oder?«
    »Ja.«
    Ezra saß im offenen Fenster. Die Füße auf der Feuertreppe und den Kater auf der Schulter, starrte er die Fenster des Hauses auf der anderen Seite des gemeinsamen Gartens an. Die Zimmertür öffnete sich, und seine Mutter trat ein.
    »Es ist sehr spät«, sagte sie.
    »Ich weiß. Aber ich darf ja morgen wieder nicht zur Schule – stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Dann ist es auch egal, wann ich ins Bett gehe.«
    Seine Mutter trat an sein Bett und setzte sich auf die Kante. Sie hörte das genüssliche Schnurren des Katers.
    »Himmel … wie zufrieden er ist. Das ist der komischste Kater der Welt.«
    »Er mag Schultern. Das ist sein Lieblingsplatz. Geiger hat ihn sich immer über die Schultern gelegt und ist mit ihm herumgelaufen.«
    »Warum nennst du ihn Tony?«
    »Wegen der Narbe – sein Auge. Scarface  – Pacino – Tony Montana – Tony.«
    Sie kannte die langsame Redeweise – die damit verbundene Leere. Es tat ihr im Herzen weh.
    »Kapiert. Ich mag ihn.« Mit der Hand fuhr sie über die Bettdecke.

Weitere Kostenlose Bücher