Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
bitte wenigstens zuhören, wenn Sie sich schon entschlossen haben, die Würde dieses Gerichts zu missachten?“, fragte der Richter genervt.
Der Klang von Manets Stimme war volltönend und doch gedehnt, als er sagte: „Oh! Oh, ja natürlich. Es – es tut mir leid. Ich bin ab jetzt ganz Ohr.“ Er rappelte sich sogar auf. Aber sein Blick irrte schon wieder zur Decke – er würde nicht zuhören, war in seine Welten abgetaucht.
„Gott weiß, was er sieht“, dachte Geza. Mit Schaudern erinnerte sie sich an das Vokabular, in das Manet verfallen war, wenn sie ihn zu lange verhört hatten. Seine innere Welt war bevölkert von Fabelwesen und Ungeheuern – da wurden Menschen, die er als bedrohlich empfand, zu Riesen und menschenfressenden Ogern, die GIGN-Beamten, die ihn festgenommen hatten, zu schwarzen Rittern, Frauen waren grundsätzlich Evasschlangen mit geifernden Giftzungen und Mündern wie vitrioltriefende, gezahnte Vulven – und er selbst natürlich der Racheengel des HERRN, der mit loderndem Flammenschwert über all dem Unrat und moralischen Verfall schwebte, um Vergeltung zu üben, das Werkzeug der Gerechtigkeit. Manet war sich all seiner Taten bewusst und leugnete sie auch keineswegs. Er wusste genau, was er all diesen Frauen – und auch den Männern, die er mit Ausnahme Delors’ nach wie vor als „Kollateralschäden“ bezeichnete – angetan hatte, doch er bereute nichts. In seinen Augen war er nun einmal derjenige, den Gott ausersehen hatte, sein blutiges Handwerk zu tun, sein Strafgericht zu bringen. „Einer muss es ja machen“, hatte er mit halb bedauerndem Achselzucken am Ende eines ihrer vielen, endlosen Verhöre gesagt.
Der grimme Schnitter, dessen Messer, Schwerter, Baseballschläger, Steine und Fäuste die Spreu vom Weizen trennten. Das war er in seinen eigenen Augen. Ein wahres Fest natürlich für jeden aufrechten Vertreter ihrer Zunft. Die Wölfin schüttelte angewidert, aber auch mit einem Quäntchen widerwilliger Faszination für diese unkartierte, kaum auszulotende Innenwelt den Kopf.
Als der Richter sein Urteil weiter verlas, riss es Geza Wolf in die Wirklichkeit zurück.
„Heute ist sicherlich einer der Tage“, sagte der Mann in der schwarzen Robe gerade mit sehr, sehr müdem Unterton in der Stimme, „an denen es für viele Beteiligte an diesem Verfahren ...“, sein Blick schweifte über den voll besetzten Saal, „... leichter wäre, wenn Frankreich 1981 die Todesstrafe nicht endgültig abgeschafft hätte. Unter den gegebenen Umständen hat sich das Gericht entschlossen, den Aussagen des Gutachters Pignole und letztlich dem Plädoyer der Verteidigung zu folgen. Das Gericht konstatiert Unzurechnungsfähigkeit aufgrund massiver Psychosen zu allen Tatzeitpunkten.
Im Namen des Volkes und der Republik Frankreich ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte Kristof Manet wird in allen Anklagepunkten für schuldig befunden. Aufgrund seiner Unzurechnungsfähigkeit wird eine lebenslange Sicherheitsverwahrung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses angeordnet. Die Sitzung ist geschlossen.“
Die Türen öffneten sich, und Menschen drängten heraus und herein. Manet lächelte still. Sein Verteidiger erhob sich und drückte ihm die Hand; der Facebook-Killer nickte unmerklich.
In seinem Kopf aber lachte er schallend.
Es war wieder wie damals, nach ihrem eigenen Prozess wegen DER SACHE. Innerhalb weniger Augenblicke war Geza vollkommen kopfscheu. In dem allgemeinen Geschiebe und Gedränge wurde Geza gegen Mafro gepresst, der wie ein Fels in der Brandung stand und sie stützte. Beharrlich, aber zugleich fürsorglich schoben er und Bavarois die
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