Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
Wölfin durch das Meer aus Menschenleibern, erst auf den Korridor hinaus, dann die schwere Steintreppe hinab. Die beiden so ungleichen Polizisten schirmten sie ab gegen das Blitzlichtgewitter, gegen die heranbrandenden Reporter, ihre zudringlichen Fragen, gegen die Mikrofone, die ihr und ihren beiden Begleitern von überallher unter die Nasen gehalten wurden.
In dem steinernen, verhallten Treppenhaus summte und brummte es wie in einem Bienenstock, in den man zuerst ein glimmendes Holzscheit gestoßen und dann ein Mikrofon gehängt hatte. Unentzifferbares Stimmengewirr. Menschen ... so viele Menschen ... und alle redeten, riefen, schrien durcheinander ...
Gar nicht weit entfernt, dort, wo die Schreie der Empörung und des Hasses am lautesten waren, bildeten Kris Manet, der Facebook-Killer, und sein vor Zufriedenheit beinahe platzender Anwalt Didier Ollivar flankiert von zwei uniformierten Polizisten einen ganz ähnlichen Keil, der sich die Treppe hinunter durchs Gedränge der Menschen zum Ausgang des Gerichtsgebäudes schob.
Als die Wölfin einmal kurz den Kopf hob, über den sie ansonsten schützend ihre Clutch hielt, konnte sie einen Blick auf ihn erhaschen. Auf den Mann, auf das Monster, das in den letzten Monaten ihr Leben bestimmt, das sie rund um die Uhr gehetzt hatte, mit dem in ihrem Kopf sie zu Bett gegangen und aufgestanden war.
Auf den Mann, der unter anderem ihre beste Freundin auf bestialische Art und Weise getötet hatte.
Manet trug einen dieser orangefarbenen Overalls, von denen die Wölfin gedacht hatte, es gäbe sie nur in amerikanischen Fernsehserien. Die Beine waren etwas zu kurz, so dass sie seine weißen Baumwollsocken sehen konnte. Die Füße steckten in weichen Stoffslippern. Manet war an Händen und Füßen mit Ketten gefesselt, so dass er nur ganz kleine Trippelschritte machen konnte. Den Kopf, den er sich in der U-Haft rasiert hatte, so dass jetzt nur ein paar Millimeter Behaarung darauf sprossen, hielt er gesenkt. Auf groteske Weise erinnerte er Geza an einen mittelalterlichen Mönch auf einer Prozession.
„Khalil wartet mit dem Wagen vor der Tür und bringt uns hier weg“, schrie ihr Mafro ins Ohr und riss sie damit aus ihren Betrachtungen der Bestie. In all dem Lärm konnte sie ihm nur durch ein Nicken bedeuten, dass sie verstanden hatte.
Eng gegen ihren französischen Kollegen gepresst, ließ sie sich von den Gezeiten der Menschenmenge durch die Tür des Gerichtsgebäudes ins Freie tragen, wo eine kurze, breite Steinfreitreppe, die ebenfalls komplett belagert war, hinunter zum Straßenniveau führte. Jenseits der Menschenmenge, am gegenüberliegenden Straßenrand, scheinbar unerreichbar weit weg, sah die Löwin den Berber mit verschränkten Armen in lässiger Haltung an einem dunkelblauen Auto lehnen, vermutlich eines der vielen unmarkierten Zivilfahrzeuge, die dem DSCS zur Verfügung standen.
Die sie umgebende Menge wich ein wenig zurück, als ein Wagen sich durchdrängte – eines der mattgrauen Transportfahrzeuge des französischen Justizvollzugsdienstes. Im Inneren, so wusste Geza, war die Rückbank durch ein stabiles Stahlnetz vom Fahrer- und Beifahrerbereich getrennt, damit selbst randalierende Insassen die Fahrsicherheit der Beamten nicht gefährden konnten. Dieses Fahrzeug würde Manet gleich quer durch die Stadt kutschieren; Geza hatte einer per Mail eingetroffenen Vorabinformation des Justizministeriums entnommen, dass man den Mann, der sich Azrael nannte, in die geschlossene psychiatrische Station des Sainte-Anne-Krankenhauses bringen würde. Dort würde er unter dem wachsamen Auge seiner Ärzte und des Gesetzes sein restliches Dasein fristen.
Der
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