Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)
Automobilherstellern davon aus, dass auf den Beifahrersitzen dieser Welt nur Frauen saßen, die unentwegt ihren Lidstrich nachziehen mussten. Hätte es dann aber nicht konsequenterweise Beifahrerinnensitz heißen müssen ...? Jedenfalls hatte sie nach der Tatortbegehung der vergangenen Nacht und dem anschließenden Trip mit Mafro ins Krankenhaus hundsmiserabel geschlafen. Sie war irgendwann gegen zwei Uhr morgens todmüde und ohne Licht zu machen in Danielles Wohnung zurückgestolpert, und war, quasi noch bevor ihr Rücken die harte Matratze des Gästefutons ihrer Freundin berührt hatte, augenblicklich eingeschlafen. Doch dann hatte sie zum ersten Mal seit über einem Jahr wieder von DER SACHE geträumt. Deswegen schaffte sie es an diesem Morgen, auch gänzlich ohne Bühnenschminke, auszusehen wie eine weibliche Version der harten Jungs von Kiss, einer Rockband, auf die sie in ihrer Jugend sehr gestanden hatte. Schon allein, um ihren überpeniblen, hyperkorrekten Vater zu schockieren. Selbstkritisch gestand sie sich ein, dass sie offenbar mittlerweile in dem Alter war, in dem das Wort Schönheitsschlaf eine ernstzunehmende Bedeutung zu entwickeln begann. Das Sechsstundenpaket, an das sie sich zur Zeit ihrer Festanstellung bei der Mannheimer Kriminalpolizei gewöhnt hatte, reichte einfach nicht mehr aus. Sie war leichenblass, hatte Ringe unter den Augen, und ihr langes Haar hing matt und irgendwie lustlos herunter. Bad Hair Day, ganz eindeutig. Sie beschloss, ihre blonde Mähne später beim Aussteigen unter der Kapuze der Sweatjacke zu verstecken. Sie fischte ihre Ray Ban aus der Innentasche ihrer Lederjacke. Im Gegensatz zu eigentlich fast allen anderen Frauen, die sie kannte, glaubte Geza nicht an den Nutzen von Handtaschen. Kosmetik nutzte sie eh so gut wie nie und wenn, dann abends, Tampons passten in jede Jeanstasche und alles andere hatte sie in ihrem Smartphone. Nein, Handtaschen waren so ein Tussenaccessoire unemanzipierter Weibchen. Sie setzte die Sonnenbrille auf, was sich deutlich positiv auf ihr übernächtigtes Spiegelbild auswirkte.
„Schlecht geschlafen?“, fragte Mafro und setzte seinerseits eine Sonnenbrille auf, weil ihn die schrägstehende Februarsonne blendete. Die Wölfin antwortete nicht, sondern öffnete das Wagenfenster auf der Beifahrerseite einen Spalt breit. Paris verhieß an diesem Februartag eine Art Frühlingsvorahnung, eigentlich viel zu früh, aber es wehte eindeutig ein laues Lüftchen, und überall in Flussnähe stank die Stadt nach vom Eise befreitem Unrat. Als sie am Quai d’Orsay entlangfuhren, glitzerte der Fluss wie ein breites, schillerndes Geschmeideband zu ihrer Rechten. Sie klappte die Sonnenblende hoch und schnappte sich erneut die Papphefter. Zeit zu arbeiten.
Am Himmel über dem Quai kreiste ein Möwenschwarm. Die Seevögel gehörten mittlerweile zum Bild jeder an einem Fluss gelegenen Großstadt, waren immer auf der Jagd nach schmackhaften Brosamen vom Tisch der Industriegesellschaft. Ab und an stießen sie herab, pickten etwas aus dem Uferschlick. Eine Katze schoss aus einem Hinterhof kommend quer über die Straße Richtung Ufer und zwang Mafro zu einem außerplanmäßigen, heftigen Bremsmanöver. All das sah und hörte die Wölfin nicht, denn sie war inzwischen wieder tief im Aktenstudium versunken.
Mafro lenkte den Wagen über die Pont de l’Alma wieder ans Nordufer der Seine hinüber. Kurz nach dem Hotel Fouquet’s Barrière bog er links auf die Avenue des Champs Elysées ab. Es hatte wieder zu nieseln begonnen, aber diesmal war es nur Regen. Bald hatten sie den Kreisverkehr um den Arc de Triomphe und die Porte Maillot hinter sich gelassen und waren
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