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Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)

Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition)

Titel: Der Facebook-Killer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hoffmann
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noch we­ni­ge Jah­re vor der Pen­sio­nie­rung stand.
    Zum ers­ten Mal im Le­ben hat­te er sich fal­len las­sen kön­nen, er hat­te die Zeit mit Ma­rie-Ange über alle Maßen ge­nos­sen und ihr in al­len Be­rei­chen des Le­bens blind ver­traut – was für ihn nicht selbst­ver­ständ­lich war, denn er hat­te früh ge­lernt, nie­man­den zu nahe an sich her­an zu las­sen. Nicht, dass sie et­was Kon­kre­tes über sein Vor­le­ben ge­wusst hät­te. Sie hat­te oft ver­sucht, zu die­sem The­ma mehr zu er­fah­ren, war das eine oder an­de­re Mal re­gel­recht in ihn ge­drun­gen, aber er hat­te ein­fach nicht dar­über spre­chen kön­nen. Doch Ma­rie-Ange hat­te viel Ver­ständ­nis für ihn ge­habt, und oft hat­ten sie näch­te­lang auf der Couch ge­ses­sen oder im Bett ge­le­gen, und sie hat­te ihm ein­fach nur zu­ge­hört, ihn in den Arm ge­nom­men oder ver­sucht, ihm mit Ratschlä­gen zu hel­fen. Er hat­te sich oft in den Schlaf ge­weint in die­sen Jah­ren. Sie hat­te ihn zu ei­ner The­ra­pie ge­drängt … und ir­gend­wann hat­te er kei­nen mehr hoch­ge­kriegt.
    Was er ihr nicht hat­te sa­gen kön­nen: Im Al­ter von sechs Jah­ren hat­te er von sei­nem Va­ter die ers­te bru­ta­le Tracht Prü­gel be­kom­men, an die er sich er­in­nern konn­te. Für eine Nich­tig­keit. Mit ei­nem Koch­löf­fel. Sei­ne El­tern wa­ren streng re­li­gi­ös ge­we­sen, vor al­lem sei­ne Mut­ter, und hat­ten dies auch in sei­ne Er­zie­hung mit ein­flie­ßen las­sen. Mehr noch, oft hat­ten sie ihm die Re­li­gi­on re­gel­recht ein­ge­trich­tert. Aber sei­ne Mut­ter hat­te es we­nigs­tens bei stun­de­lan­gen Ti­ra­den, Er­mah­nun­gen und Schel­te be­las­sen. Hand­greif­lich war im­mer nur sein Va­ter ge­wor­den.
    Sein Va­ter hat­te oft zu viel ge­trun­ken und war dann im­mer aus­fäl­lig ge­wor­den, nicht nur ihm, son­dern auch sei­ner ge­lieb­ten Mut­ter ge­gen­über. Hat­te sie be­schimpft und ge­de­mütigt. Im Suff war ein Hass auf die Welt aus ihm her­aus­ge­bro­chen, der ganz si­cher nicht gott­ge­fäl­lig ge­we­sen war. Ihn hat­te er dann häu­fig mit ei­nem Stock oder sei­nem Gür­tel ver­prü­gelt, und so hat­te er ein zwie­späl­ti­ges Ver­hält­nis zur Re­li­gi­on ent­wickelt. Sie war ihm als Kna­be Trost und Schreckens­bild zu­gleich ge­we­sen. So vie­les hat­te er nicht be­grif­fen, da­mals … Wie konn­te man Nächs­ten­lie­be pre­di­gen und gleich­zei­tig sei­ne Nächs­ten schla­gen? Wie konn­te ei­ner so has­sen, der an Je­sus zu glau­ben be­haup­te­te, der doch die Lie­be in Ver­kör­pe­rung war, wie sei­ne Mut­ter im­mer sag­te? Und wenn Gott ein lie­ber Gott war, wie man es ihm im Kin­der­got­tes­dienst ein­zu­re­den ver­such­te, warum ließ er dann zu, dass der Va­ter ihn für nichts und wie­der nichts un­ge­straft grün und blau schlug?
    Er ver­stand oft die Welt nicht mehr und bau­te sich eine ei­ge­ne Traum­welt, in die er sich im­mer häu­fi­ger zu­rück­zog. Dort gab es En­gel und mu­ti­ge Krie­ger und alle Ge­stal­ten aus den Mär­chen, die er im Kin­der­gar­ten erzählt be­kom­men hat­te. Dort traf er auch Gott, den er sich ge­mäß der Erzäh­lun­gen der Mut­ter als un­sag­bar al­ten Mann mit wei­ßem Rau­sche­bart vors­tell­te, und re­de­te auf sei­ne kind­li­che Art viel und lan­ge mit ihm. Er lieb­te und er hass­te Gott, er lieb­te und er hass­te sei­nen Va­ter. Er lieb­te sei­ne Mut­ter. Er hat­te Ma­rie-Ange ge­liebt, vom ers­ten Blick auf dem Schul­hof an. Ma­rie-Ange. Ange. En­gel. Sein En­gel, sei­ne En­gel-Frau.
    Sei­nen Freun­den ge­gen­über ver­such­te er, all dies zu ver­heim­li­chen, und er hat­te nie­man­den, mit dem er dar­über spre­chen konn­te. Also schloss er es ganz tief in sich ein. So tief, dass er es später nicht ein­mal für Ge­spräche mit Ma­rie-Ange wie­der her­vor­ho­len konn­te. Sei­ne Mut­ter hat­te meist ge­schwie­gen und ver­sucht, ihr Un­glück zu ver­drän­gen. Was hät­te sie auch tun sol­len? Glück, das war für die an­de­ren. Ihm war das Ver­hal­ten sei­nes Va­ters pein­lich ge­we­sen, und ob­wohl auch er der Leid­tra­gen­de ge­we­sen war, hat­te er sich sei­ner Mut­ter und sei­nen Freun­den ge­gen­über ge­schämt.

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