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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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nur mit noch größerem Aufsehen als zuvor: das Gedrängel der Geldverleiher, angelockt durch die Wucherzinsen, die Thérèse akzeptierte, die Empfänge in der Avenue de la Grande-Armée und die prunkvollen Feste im Chateau des Vives-Eaux. Frédéric Humbert ging in die Politik und konnte sich mit seinem Geld und seinen Beziehungen problemlos zum Abgeordneten des Departements Seine-et-Marne wählen lassen. Kurz und gut, man feierte einen Triumph auf der ganzen Linie. Trotzdem nahm das Verfahren seinen Lauf, sodass das Berufungsgericht vier Jahre nach dem Urteil in erster Instanz am 3. Januar 1890 seinen Beschluss verkündete, natürlich zugunsten von Thérèse Humbert. Diesmal war das große Abenteuer offenbar zu Ende, da alle legalen Mittel erschöpft waren.
    Aber nein! Nachdem das Ehepaar Humbert so viel Geschick bewiesen hatte, hatten sie nämlich auch noch unverschämtes Glück. Als der Vorsitzende des Gerichtshofes das Urteil verlas, beging er einen materiellen Fehler, den er allerdings sofort korrigierte. Dies war jedoch gesetzeswidrig, sodass die Crawfords gleich eine Nichtigkeitsbeschwerde einlegten, mit der sie sogar Aussicht auf Erfolg hatten.
    In der Pariser Gesellschaft sprach man von nichts anderem mehr. Einen solchen juristischen Roman hatte man noch nie erlebt. Vorläufig hegte jedoch niemand einen Verdacht. Für alle war Thérèse lediglich das Opfer unglaublich hartnäckiger Gegner und darüber hinaus hatte sich noch das Schicksal gegen sie verschworen. Die hundert Millionen in Gold lagen bei ihr zu Hause, in Reichweite, in dem Geldschrank, nur war es ihr leider untersagt, sie anzurühren. Was für eine arme Frau. Man bedauerte sie von Herzen.
    Dennoch begannen manche Gläubiger, ihr Geld zu fordern. Nicht dass sie etwa Argwohn hegten, sie brauchten es einfach selbst. Thérèse Humbert zahlte sie aus, indem sie wieder von anderen lieh. Dabei kam ihr sogar eine grandiose, fabelhafte Idee. Sie setzte sich in den Kopf, alle Schulden zu tilgen.
    Ihr standen beachtliche Summen zur Verfügung, sodass sie beschloss, dasselbe zu tun wie alle Bankiers, nämlich das Geld anderer Gewinn bringend anzulegen. 1893 gründete sie über Strohmänner »La Rente viagère de Paris« (»Leibrente Paris«), eine Firma, deren Gesellschaftssitz sich in der Rue Pergolèse Nummer 16 befand, was jedoch lediglich der Dienstboteneingang des Hauses in der Avenue de la Grande-Armée war. Dann begann sie, in Immobilien zu investieren.
    Als Geschäftsfrau war sie genauso begabt wie als Betrügerin. Sie erzielte gute Profite. Hätte sie nur über genügend Zeit verfügt, hätte sie vielleicht wirklich die hundert Millionen verdient, die sie vorgab zu besitzen. Dann wäre ihr der perfekte, absolute Betrug gelungen. Sie hätte ein Vermögen verdient, ohne ihren Opfern auch nur einen Heller abzunehmen, da alle entschädigt worden wären. Mit nichts, nur mit Wind, einer Lüge, hätte sie es dann zu märchenhaftem Reichtum gebracht, ohne jemandem zu schaden.
    Es war alles nur eine Frage der Zeit. Zu Thérèse Humberts Pech erbarmte sich jedoch der Oberste Gerichtshof ihrer juristischen Probleme und suchte, obwohl der Formfehler des Berufungsgerichts offensichtlich war, nach einem Weg, um das Urteil mit dieser eindeutigen Rechtslage nicht aufzuheben. Dies gelang auch dank einer bemerkenswerten Arbeit, die noch heute in allen juristischen Handbüchern erwähnt wird. Das Berufungsurteil wurde also nicht aufgehoben. Thérèse durfte jetzt die hundert Millionen in ihrem Geldschrank ausgeben, unter der Bedingung, dass sie davon sechs Millionen an die Crawfords überwies. Damit drohte wieder die Katastrophe!
    Doch angesichts dieser verzweifelten Lage bewiesen die Humberts — insbesondere Frédéric, der Rechtsexperte — wieder einmal ihr Genie. Sie verkomplizierten das juristische Durcheinander noch etwas, indem sie verkündeten, dass sie mit Henry Crawford, der auch für seinen Bruder Robert bürgte, ein neues Abkommen unterzeichnet hätten. Damit war also das neue Abkommen gültig, während das alte, das Gegenstand des Berufungsprozesses gewesen war, null und nichtig wurde. Doch als Robert Crawford davon erfuhr, teilte er mit, er habe dazu nie sein Einverständnis gegeben, und strengte sofort einen Prozess gegen seinen Bruder und das Ehepaar Humbert an. Damit ging das ganze Verfahren wieder von vorne los!
    Dieses Mal wunderte man sich allerdings langsam über diese unerhörten Verwicklungen. Um jeder Gefahr vorzubeugen, beschloss Thérèse,

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