Der Fälscher aus dem Jenseits
Presse dargestellt hatten, stand dort, riesig, mit einer massiven Tür und hochmodernen Schlössern. Trotz aller Beteuerungen des Dieners ließen die Humberts auf sich warten. Schließlich traf der Generalstaatsanwalt eine Entscheidung und ließ einen Schlosser kommen. Nach stundenlangen Bemühungen gab die Tür schließlich nach. In der Grabesstille, die auf das laute Gehämmer folgte, trat Lanquest, der mit dem Inventar beauftragte Notar, näher und verkündete: »Eine alte Zeitung und ein italienischer Groschen.«
Nein, der Geldschrank war nicht leer! Ein leerer Geldschrank ist banal, traurig, eines vulgären Betrügers würdig, doch Thérèse war alles andere als vulgär. Wie damals in der mittelalterlichen Truhe im Chateau de L’Œillet lag auch im Geldschrank von Thérèse Humbert etwas. Die alte Zeitung und der italienische Groschen befanden sich nicht zufällig dort, waren nicht einfach vergessen worden. Sie waren eine Huldigung an den Mann, der einmal gesagt hatte: »Es ist nicht wichtig, reich zu sein. Man muss nur alle glauben lassen, dass man es ist.«
Der Rest glich dem Nachspiel jeder beliebigen Betrugsaffäre. Die Humberts tauchten nicht mehr in der Avenue de la Grande-Armée auf und befanden sich auch nicht im Chateau des Vives-Eaux, wo die Polizei sofort nach ihnen suchte.
Sie waren nicht einmal mehr in Frankreich. In Gesellschaft der Geschwister d’Aurignac waren sie nach Madrid geflohen und hatten dabei die Kasse der »Rente viagère de Paris« mitgehen lassen. Frankreich beantragte und erreichte ihre Ausweisung, sodass sie im Dezember 1902 verhaftet wurden.
Thérèse Humbert wurde am 8. August 1903 mit ihrem Mann, beiden Brüdern und ihrer Schwester vor Gericht gestellt, wobei das ganze Publikum auf ihrer Seite stand. Die »Große Thérèse«, wie sie in der Presse genannt wurde, flößte nämlich allen Sympathie ein. Sie hatte nur Reiche betrogen, die von der Gier nach Gewinn angelockt worden waren und die im Grunde nur das bekommen hatten, was sie verdienten. Außerdem hatte sie ganz Frankreich zum Lachen gebracht. Übrigens übten auch die Richter Nachsicht, wenn man den gewaltigen Umfang des Schwindels in Betracht zieht: in Euro gerechnet mindestens eine achtstellige Summe, vielleicht sogar an die 150 000 000. Sie verdonnerten das Ehepaar Humbert nur zu fünf Jahren Gefängnis, Romain d’Aurignac zu drei Jahren, Emile zu zwei, während Marie sogar freigesprochen wurde. Es gibt Fälle, in denen die Missbilligung hinter der Bewunderung zurücktritt, und vor der »Großen Thérèse« musste man wirklich den Hut ziehen.
Das schöne Phantomschiff
England, 1880. R. W. Taylor, britischer Erster Admiral zur See, war stolzer Eigentümer einer ungewöhnlich eleganten Yacht. Trotz ihres Rumpfs aus Eisen und der Tatsache, dass es sich um ein Dampfschiff handelte, wirkte sie mit ihrem schlanken Kamin und ihren Kupferbeschlägen majestätisch. Der Eigentümer fuhr mit diesem Schiff an den Küsten Europas entlang und ging in den sonnigen Häfen des Mittelmeers vor Anker. Doch eines Tages beschloss R. W. Taylor, das Schiff an eine Eisenbahngesellschaft zu verkaufen, die es künftig für den Transport von Gütern verwenden wollte. Doch das Schiff, das nach dem Verkauf in Dragon umbenannt worden war, wirkte nach wie vor sehr vornehm. Während ein neuer Kapitän gesucht wurde, lag das Schiff im Hafen von Liverpool. Im Büro der Eisenbahngesellschaft, der neuen Eigentümerin der Dragon, meldete sich daraufhin ein gut aussehender junger Mann. Zufällig hatte er den gleichen Nachnamen wie der ehemalige Eigentümer. Er hieß Joseph H. Taylor und erklärte, er sei ein entfernter Cousin des Admirals. Im Übrigen hatte er ausgezeichnete Referenzen vorzuweisen. Er bewarb sich also um den Posten des Kapitäns für die Dragon , da er, wie er behauptete, das Schiff schon seit langem kenne und häufig mitgefahren sei. Man vertraute ihm dann auch den Posten ohne weiteres an.
Ein paar Tage später verkündete Kapitän Taylor, dass er in See stechen werde. Der Offizier, der für Ausrüstung und Mannschaft zuständig war, erklärte ihm zwar, dass die Mannschaft noch längst nicht vollständig sei, doch der Kapitän erwiderte ihm, er werde sich in Glasgow darum kümmern. Also legte die Dragon ab.
In Glasgow, wo Taylors Schiff einige Tage vor Anker lag, sorgte er tatsächlich dafür, dass seine Mannschaft vervollständigt wurde. Dann fuhr die Dragon weiter nach Cardiff. Auch hier blieb sie einige Tage liegen.
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